Bisher hatte ich noch keine Erfahrung mit Kühen, die an Milchfieber litten. Das änderte sich aber vergangene Woche. Die Holsteinkuh Quincy gebar ganz früh am Morgen ein Kalb. Am Nachmittag lief sie dann wieder im Stall umher, ihr Kalb lag währenddessen noch in der Abkalbebox. Die Kuh schien nervös, denn sie versuchte wieder zu ihrem Kalb zu gelangen. Ich weiss nicht genau, ob sie selbst aus der Box ausgebrochen ist oder ob sie bewusst vom Kalb getrennt wurde. Auf jeden Fall erschien sie mir gesund.
Glücklicher Zufall
In der Nacht brach die besagte Kuh jedoch wegen Kalziummangels vor dem Melkroboter zusammen und klemmte sich bei der Tür ein. Anschliessend begann sich ihr Bauch aufzublähen. Wäre mein Chef nicht in der Nacht aufs WC gegangen und hätte er nicht aus Routine die Überwachungskameras überprüft, wäre die Kuh verendet. Mein Chef und seine Frau eilten also um vier Uhr in der Frühe in den Stall, um die Kuh aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Mit vereinten Kräften zogen sie sie zurück in die Abkalbebox, wo sie sich erholen sollte. Ich bin sehr beeindruckt, dass sie das zu zweit geschafft haben, denn sie haben mich nicht aufgeweckt, um ihnen zu helfen. Dabei hatte sich mein Chef erst die Woche zuvor beim Skifahren einige Rippen gebrochen. Die Tierärztin war in der Nacht nicht erreichbar, weshalb sie die Kuh erst am Morgen mit Medikamenten versorgen konnten.
Zu schwere Verletzungen
Bereits am Nachmittag, als alle Kühe draussen auf der Wiese die Sonne genossen, war Kuh Quincy wieder auf den Beinen. Sie sah immer noch nicht sehr fit aus, aber sie wollte trotzdem zu den anderen Kühen auf die Weide. Ein paar Tage später stellte sich jedoch heraus, dass sich die Mägen der Kuh verdreht hatten, während sie am Boden lag. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis das Fieber ausbrechen würde. Man hätte sie im Tierspital operieren können, aber die Kosten wären viel zu hoch gewesen. Aus diesem Grund entschied sich mein Chef dafür, die Kuh zu schlachten, da sie bereits sieben Jahre alt war.
Zur Person
Julia Grüter aus Ruswil LU macht dieses Jahr das Vorstudienpraktikum für das Studium der Agrarwissenschaften an der HAFL. Anfang August 2021 hat sie in Puidoux VD bei Familie Chevalley angefangen. Der Familienbetrieb verkauft im Hofladen Schafmilchglace und -joghurt sowie viele weitere Produkte.