Und ein weiteres Mal hat sich bestätigt, was ich nun in den letzten Jahren Landwirtschaft gelernt habe: Man kann die Arbeiten noch so planen – wenn es dann soweit ist, kommt alles eh so, wie es muss. Wir waren motiviert und dankbar, als wir die Bewilligung für die Erweiterung des Milchkuh-Laufstalls erhalten haben. 60 Tiefboxen, drei grosszügige Strohabteile für Kalbende und kranke Tiere, zusätzlicher Lagerraum für Gülle von 800 Kubikmetern und weitere Fressplätze sind geplant.
Ursprünglich sollte es im Frühjahr mit Ausbaggern und Beton giessen losgehen. Über Sommer wäre genügend Zeit geblieben, um die Holzarbeiten fertigzustellen sowie die Innenausstattung zu montieren. So wäre der Stall theoretisch bis im Herbst zum Ende der Weidesaison einzugsbereit gewesen.
Viel Regen und teures Holz
Doch bei den nassen Bedingungen war an Ausbaggern gar nicht zu denken. Dazu kam, dass der Borkenkäfer, der Handelsstreit zwischen den USA und Kanada und möglicherweise auch Corona die Preise für deutsches Holz durch die Decke gehen liess. Natürlich war bei der Kostenplanung Reserve für Unvorhersehbares einkalkuliert. Aber gleich das Vierfache des Holz-Budgets war doch etwas zu viel als Kostenpunkt. Zudem es nicht mal sicher ist, dass man das Holz auch wirklich geliefert bekommt. Naja, solange mit dem Unterbau noch nicht mal begonnen ist, nützt es nichts, sich über den Oberbau zu ärgern. Also blieb uns nichts anderes übrig, als erst mal trockeneres Wetter abzuwarten. Mit unserem Zimmermann einigten wir uns, den Oberbau um ein Jahr zu verschieben.
Abwarten und Silo fahren
Der verzögerte Baubeginn kam uns in diesem Fall nur zu Gute, denn die Futterernte des ersten Schnittes fiel dieses Jahr übermässig ertragreich aus. Ganze 18 Stunden verbrachte die Häckselkolonne des Lohnunternehmens damit, den Silo auf den Hof zu fahren. Statt wie gewöhnlich eine Siloplatte, füllte der erste Schnitt 2021 gleich zwei. Da stellte sich die Frage, wohin die darauffolgenden Schnitte gelagert werden sollen. Angrenzend an die eigentlichen Siloplätze haben wir einen Kiesplatz angelegt und nutzen ihn nun übergangsweise für den zweiten und dritten Schnitt.
Grundwasser stoppte Bauarbeiten
Das Wetter hat sich in der Zwischenzeit stabilisiert und der Boden ist gut abgetrocknet. Gunnar, Budjenter Urgestein und Bagger-Einzelunternehmen, rollte diesen Montag mit Muldenkipper und Bagger auf den Hof. Damit die Erde unter dem Futtertisch des bestehenden Laufstalles während des Aushubs nicht wegbröckelt, wurden Leitplanken in die Erde gerammt.
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Je tiefer das Loch wurde, desto deutlicher offenbarte sich der ursprüngliche Mutterboden: Konservierte Muscheln und Krebse kamen zum Vorschein und der Geruch nach Wattenmeer wurde immer stärker. Kein Wunder, denn vor zirka 250 Jahren wurde der Standort, wo jetzt unser Hof steht, durch die Fluten der Nordsee regelmässig überspült. Damit war mit der Errichtung der bis heute bestehenden Deichlinie Schluss.
Der Name unseres Hofes «Ruhwardengroden» erinnert noch immer an die ehemalige Lage «ausser Deichs» («-groden»). Es hätte 2,30 Meter tief gegraben werden sollen, doch das aufsteigende Grundwasser stoppte die Baggerarbeiten bei gut zwei Meter Tiefe. Eine ständig laufende Tauchpumpe war nötig, um das aufsteigende Grundwasser und den Niederschlag der Sommergewitter aus der Grube zu fördern.
Watt ne Baustelle!
Ich muss gestehen, dass ich Bauarbeiter Hermann und seine zwei Kollegen kein bisschen beneide, wie sie beim Schalen durch unser Mini-Wattenmeer stapfen und wanken und bei jedem Schritt aufpassen müssen, dass die Gummistiefel sich nicht im Schlamm festsaugen und stecken bleiben. Bereits am Donnerstag konnte die erste dünne Betonschicht auf die ausgelegten Plastikmatten gelegt werden. Diese kann nun übers Wochenende erst mal aushärten, bis dann die Baustahlmatten für das eigentliche Giessen der Betonsohle ausgelegt werden.
Zur Autorin
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Sandra Honegger (28) hat an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Agronomie studiert und ist an die deutsche Nordseeküste ausgewandert. Dort wohnt und arbeitet sie mit ihrem Freund Timo Hussmann auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Henrik und Rita Wefer. Zum Betrieb gehören 90 ha Grünland und 25 ha Ackerland. Der Tierbestand umfasst 130 Holstein-Milchkühe und eine ebenso zahlreiche weibliche Nachzucht. Ausserdem koordiniert sie als Teilzeitjob im Grünlandzentrum Bremen/Niedersachsen Projekte.