Nach insgesamt fast neun Jahren in Nanton ist es Zeit für eine Veränderung. Bereits seit längerem hatten wir das Gefühl, dass sich arbeitstechnisch etwas ändern muss. Mein Mann Markus trug bei seinem Vollzeit-Job viel Verantwortung und war dementsprechend auch zeitlich immer eingebunden. Auch wenn er frei hatte, klingelte immer wieder das Telefon. Die Arbeitslast war überwältigend gross und wurde mit jeder Hektare Land und jeder weiteren Kuh, die unsere Arbeitgeber kauften, grösser.
Selber kontrollieren, was man konsumiert
Da wir uns aber in Süd-Alberta wohlfühlen und uns die Kleinstadt Nanton mit den freundlichen Einwohner(innen) gefällt, waren wir bisher nicht bereit, diese Gegend zu verlassen und so bissen wir halt die Zähne zusammen und arbeiteten sieben Tage die Woche. Je mehr Stunden Markus auf der Farm verbrachte, desto mehr Arbeit blieb zu Hause für mich liegen. Wir wollten jedoch den Selbstversorger-Anteil unserer Arbeit nicht reduzieren, da es für uns am meisten Sinn macht, selbst kontrollieren zu können, was wir konsumieren. Auch Markus konnte als Vorarbeiter nicht weniger arbeiten. Wir wussten also, dass, wenn sich etwas ändern würde, es drastisch sein würde.
Dank den, unserer Meinung nach immer wahnwitzigeren, Pandemie-Restriktionen fiel die Entscheidung dann auch noch einmal etwas leichter. Als Nicht-geimpfte sind wir von der Gesellschaft ausgeschlossen und bald wird sich das auch auf die jungen Kinder in der Schule ausweiten. Von daher geben wir weniger als je zuvor auf, wenn wir in die Abgeschiedenheit der Wälder von Britisch-Kolumbien ziehen.
Ziel: «Community Farm»
Gemeinschafts-Bauernhöfe sind in Nordamerika seit einigen Jahren im Trend. Immer mehr Menschen wollen weniger abhängig vom Staat und den fragilen Lieferketten sein und stattdessen, soweit als möglich, für sich selbst sorgen. Da man aber als Einzelkämpfer nicht weit kommt, schliessen sich Menschen mit ähnlichen Interessen zu produktiven Gemeinschaften zusammen. Mitunter ist auch die Sehnsucht nach einer verlässlichen Sozialstruktur ein Teil der Motivation. In einer Welt, in der alle nur dem Geld hinterherrennen, die Kinder von morgens bis abends im Kinderhort und in der Schule hocken und die Familie nur noch zum Abendessen und Schlafen nach Hause kommt, fehlt der Zusammenhalt. Nicht nur in der Familie, auch in der Nachbarschaft, im Dorf und in der Stadt sowieso. Ich glaube, das ist mitunter ein Grund, wieso so viele Menschen so staatshörig geworden sind. Wenn es kaum noch verlässliche zwischenmenschliche Bindungen gibt, springt der Staat als Ersatz für die Gemeinschaft ein. Wohlgemerkt ein erbärmlicher Ersatz.
Weitere Familien sind gesucht
Und so wagen wir den Sprung, nabeln uns ab und versuchen am Ootsa Lake in Zentral-Britisch-Kolumbien eine Community Farm zu gründen. Mit Hans, der bereits seit über 20 Jahren dort wohnt, hoffen wir, auf 500 Hektaren im Einklang mit der Natur leben zu können. Das Ziel ist es, nur so viel wie nötig zu produzieren. Auch Jagen, Fischen sowie Pilze- und Beerensammeln wird ein Teil der Selbstversorgung werden. Zusätzlich zu Hans’ Schafen, Hühnern und Hasen bringen wir unsere Kühe mit Kälbern, ein Pferd, Hühner, Hasen, Enten, Hunde und Katzen mit und so haben wir schon den Anfang einer kleinen Farm gemacht. Mit der Zeit hoffen wir, dass wir weitere Familien finden werden, welche sich in der Abgeschiedenheit wohlfühlen können, sodass es für die Kids nicht allzu einsam wird. Denn zur Schule zu gehen, ist dort keine Option.
Die grosse Packerei
Wie man sich vorstellen kann, gibt es einiges zu packen, wenn man nicht nur einen Haushalt, sondern auch Tiere und den Inhalt eines Stalls zügeln muss. Es ist erstaunlich, was sich in den nur sechs Jahren, seit wir nach Nanton zurückgekehrt sind, alles angehäuft hat. Die grossen Hühnerställe müssen wir schweren Herzens zurücklassen, da sich die Kosten für den Transport nicht rechtfertigen lassen. Die Hasenställe passen aber zum Glück in den Lastwagenanhänger, welchen wir gekauft haben. So können wir stressfrei laden und müssen den Anhänger am Zielort nicht sofort ausladen, sondern können ihn zur Lagerung benutzen. Nun halten wir die Daumen gedrückt, dass nicht nur der Umzug, sondern auch das Projekt Gemeinschaftsfarm ein Erfolg werden.
Zur Autorin
Alexandra Ruckstuhl und ihr Mann Markus sind bereits zum zweiten Mal aus der Schweiz nach Kanada ausgewandert. Das erste Mal kehrte die Familie zur Behandlung einer lebensbedrohenden Krankheit ihrer älteren Tochter in die Schweiz zurück. Nach erfolgreicher Operation der ersten Tochter und der Geburt der zweiten, ist Familie Ruckstuhl in ihre Wahlheimat zurückgekehrt. Mittlerweile sind mehr als drei Jahre vergangen, seit die Ruckstuhls die Schweiz zum zweiten Mal verlassen haben.

