Schaltet man am Abend den Fernseher an, wird rege über das Wetter berichtet: Unwetter in den Alpen, Hitzerekorde in Indien, Dürre in den USA. Weltweit schlägt der Juni 2024 jede Menge Hitzerekorde. Wenn ich aus dem Fenster schaue, kann ich dieses Phänomen bei uns gar nicht bestätigen, denn es regnet, wie eigentlich quasi jeden Tag seit letztem Herbst. Dementsprechend passen natürlich auch die Temperaturen nicht zur Jahreszeit. So stehen wir nun da, mit 20 Hektaren Heu, die bis heute, Mitte Juli, dieses Jahr noch kein einziges Mal gemäht worden sind.
Das schöne Wetter nutzen
Unsere Nachbarin hat mir eigentlich schon im März prophezeit, dass es so kommen würde. Dafür hat sie mir drei Gründe genannt: Erstens ist es ein Schaltjahr; zweitens gibt es 13 Mondwechsel statt 12 und drittens sind Wahlen in Frankreich. Oder wie es in der Schweiz heisst: «Schaltjahr gleich Galtjahr». Die alten Weisheiten haben bei uns dieses Jahr auf jeden Fall zugetroffen.
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Bei jedem Schönwetterfenster waren wir deshalb im Vollgas-Modus und haben so nach und nach unsere Siloballen in kleinen Etappen gemacht. Einmal waren wir besonders risikofreudig und haben innerhalb von dreieinhalb Tagen zehn Hektaren Bodenheu gemacht, denn Heustöcke gibt es in dieser Region nicht.
Die Heuballen haben wir jedoch sicherheitshalber ein paar Tage draussen gelagert und mit einer Lanze die Feuchtigkeit und Temperatur bestimmt, bevor wir sie in die Scheune geräumt haben. Trotzdem bleiben uns 20 Hektaren zu heuen und das Emd würden wir auch gerne trocknen lassen. Der Kreiselheuer läuft also heiss und die Siloballenfolien sind an einigen Orten bereits vergriffen. Immerhin gibt es dieses Jahr viel Gras, jedoch wird wohl die Qualität die Euphorie etwas dämpfen.
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Kühe mögen es kühl
Für die Kühe ist es jedoch angenehm mit den gemässigten Temperaturen. Sie verbringen Tag und Nacht auf der Weide und kommen nur zum Melken in den Stall. Der Aufwuchs im Juni war qualitativ schlecht und die Milch im Tank ist drastisch gesunken. Da jedoch noch bis Ende Juni der saisonale Abzug von 2 Rappen gilt, ist dies nicht allzu schlimm.
Die Weide portioniert
Seit Anfang Juli sind wir jetzt wieder im besseren Gras und gleichzeitig haben wir in diesem Monat einige Frischkalbinnen. So erreichen wir mit einer Vollweidefütterung im Schnitt 25 Liter Tagesmilch. Im Stall gibt es abends maximal 2,5 kg Milchviehfutter für die Frischkalbinnen und morgens, je nach Milchgehalten, ein Eiweiss- oder Energiefutter zum Ausgleich.
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Die Vollweide für 60 Milchkühe zu managen, ist Arbeit. Damit wir die Weiden möglichst effizient nutzen können, praktizieren wir die Portionenweide und geben sowohl am Morgen als auch am Abend jeweils ein frisches Stück Gras. Der Quad ist dadurch im Sommer eine der wichtigsten Maschinen für uns. Damit kontrollieren und stellen wir die Zäune, sperren die Strassen und holen die Kühe. Bei schönem Wetter macht das richtig Spass. Dieses Jahr ist jedoch die Regenhose meine allgegenwärtige Begleiterin.
Am aufwendigsten am Weiden finde ich es aber, genügend Wasser für die Herde zu haben. Auf einigen Weiden haben wir zwar Wasser aus dem Bach, jedoch muss man die Fassungen regelmässig kontrollieren und entstopfen. An den meisten Orten brauchen wir aber Tränkefässer. Wir stellen immer zwei Fässer zur Verfügung, damit es nicht zu viel Konkurrenz am Trog gibt und auch Rinder genügend trinken können.
Also muss man bei hohen Temperaturen mindestens alle zwei Tage die Fässer anhängen und auffüllen. Das braucht Zeit. Immerhin: Das Auffüllen geht schnell, dank einer gemeinsamen Quellfassung, die in ein Reservoir läuft. Trotzdem ist dies eine der wenigen Arbeiten auf dem Betrieb, die ich ungern mache.
Eine Trendwende?
Jetzt freuen wir uns, dass der saisonale Abzug beim Milchpreis vorüber ist und wir gleichzeitig ein Rekordhoch bei den Kälberpreisen haben. Die Kälber können in Frankreich ab dem 14. Lebenstag verkauft werden. Das letzte Stierkalb war 15 Tage alt und wurde für 180 Euro gekauft. Letztes Jahr lag der Preis für solche Tränker im Schnitt bei 70 Euro.
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Die französische Milchproduktion ist in einer Abwärtsspirale. Jedes Jahr sinkt die Milchmenge um rund 2 % und die Anzahl Milchkühe ist 2023 sogar um 5 % gesunken. Dass sich der Preis dann jedoch innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt, ist beeindruckend. Am gefragtesten sind Kreuzungen mit Blanc-Bleu-Stieren. Ein solcher Tränker kann uns momentan bis zu 450 Euro einbringen. Wenn es so weiter geht, verdoppelt sich ja vielleicht auch der Milchpreis bis nächstes Jahr. Träumen darf man ja.
[IMG 6]Zur Person: Lena Junker hat Agrarwissenschaften an der ETH Zürich studiert. Danach hat sie in der Schweiz für eine Futtermittelfirma gearbeitet, bis sie Ende 2022 nach Frankreich ausgewandert ist. Gemeinsam mit ihrem Freund Mathieu ist sie auf dem Betrieb von Michelle und Christian Agay angestellt, den die beiden per 2024 übernehmen wollen. Der Betrieb liegt im Massif Central auf 850 m ü. M., umfasst 96 Hektaren und 65 Milchkühe mit Aufzucht. Die Milch wird an die regionale Molkerei verkauft, wo der AOP-Käse Bleu d’Auvergne hergestellt wird.