Unsere erste Lämmer-Saison am Ootsa Lake fing gleich mit einem Knall an. Das erste Schaf hatte Vierlinge, das nächste Drillinge und danach gab es dreimal Zwillinge. Alle bisherigen Lämmer sind gesund und munter und scheinen genügend Milch zu bekommen. Dann riss unsere Glückssträhne leider ab und wir hatten ein totes Lamm, welches nicht ohne unsere Hilfe zur Welt gebracht werden konnte. Leider überlebte auch das Mutterschaf die schwierige und lange Geburt nicht. Wir hoffen, die restlichen Schafe der insgesamt 16 Muttertiere lammen problemlos. Wir haben zwar beide ein wenig Erfahrung mit Schafen, aber die Rasse der Isländer ist für uns beide komplett neu.
Eigenschaften des Islandschafes
Unser erster Eindruck der Isländer war, dass es sich doch kaum lohnt, solch kleine Schafe zu halten. Von zirka einjährigen Tieren hatten wir nur um die 15 bis 20 Kilogramm Schlachtgewicht. Doch immer mehr wurden uns die Vorteile dieser Rasse bewusst: Sie haben einen starken Mutterinstinkt und trotz des relativ bescheidenen Futters eine gute Milchleistung. So müssen wir sagen, dass es durchaus seine Gründe hat, in dieser Gegend gerade diese Rasse zu halten. Die Islandschafe wurden im 9. Jahrhundert von Wikingern nach Island gebracht und da alle Einkreuzungen mit modernen Schafrassen desaströs endeten, sind sie bis heute eine nahezu unveränderte Rasse und dementsprechend zäh.
Umgeben von lauernden Feinden
Die Mütter sind sehr beschützend, wenn es um ihre Kleinen geht und schrecken auch nicht vor Hunden zurück. Dank der Hörner haben sie eine Waffe, die sie zu ihren Gunsten einsetzen können. Das ist praktisch, da es hier unzählige Raubtiere gibt, welche nur allzu gerne ein Lämmchen oder auch ein Schaf reissen würden.
Nebst den immer präsenten Kojoten und Weisskopf-Seeadlern haben wir auch schon einen Schwarzbären und Luchse gesehen und Wölfe heulen gehört. Zudem gibt es, laut Trappern, in der Gegend auch einige Vielfrasse und Füchse. Unsere Hunde halten soweit alles auf Trab und wir hatten bei den Schafen und Kühen noch keine Verluste durch Wildtiere zu vermelden.
Hunde gegen den hohen Raubtierdruck
Manchmal, wenn wir mal wieder tagelang am Metzgen sind nur um die Hunde zu füttern, fragen wir uns ab und zu, wieso wir sechs Hunde haben. Aber wenn sie dann den Schwarzbären aus dem Wäldchen treiben, die Weisskopfadler, die auf den Bäumen auf Beute lauern, anbellen und die Kojoten aus den Weiden verjagen, wissen wir, dass es eben nicht nur sechs Haustiere sind. Sie haben alle einen Job, den sie sehr ernst nehmen. Wir sind bei solch hohem Raubtierdruck auf einen Gegendruck angewiesen.
Langer Winter sorgt für späten Vegetationsstart
Hier im zentralen Teil von British-Columbia wollte der Winter seine Koffer einfach nicht packen und auch jetzt, wo er sich endgültig verabschiedet zu haben scheint, schneit er doch immer hin und wieder herein. Die Temperaturen sind nachts noch unter dem Gefrierpunkt und tagsüber steigt das Thermometer nicht auf mehr als zehn Grad Celsius. Im Garten können wir nebst Jäten und die Beete vorbereiten daher noch nicht allzu viel machen.
Auch auf die wild gesammelten Pflanzen müssen wir zum Teil noch warten. Nebst «Tannenschösslig» für Hustensirup warten wir auch auf die Knospen der Schwarzpappeln, die man zu einer Salbe gegen Entzündungen verarbeiten kann. Den Wacholder können wir schon sammeln und beim Jäten kommen die Wurzeln des Beinwells und Löwenzahns in einen separaten Eimer, um Salben oder Tee herzustellen. Auch die Topinamburknollen, welche hin und wieder an einem ungünstigen Ort wachsen, sind noch gut essbar.
Der Natur mehr Vertrauen schenken
Wir sind froh, unseren Kindern beibringen zu können, dass die Natur so viel Gutes zu bieten hat und dass Gesundheit nicht nur aus einer Spritze oder Pille kommt. Die Schulmedizin hat durchaus ihren Platz, aber die Menschen müssen wieder lernen, der Natur mehr Vertrauen zu schenken. Wir haben mehr Erfahrung mit Ärzten als uns lieb ist und sind immer wieder schockiert, dass viele Leute einem weissen Kittel uneingeschränktes Vertrauen schenken. Das sind auch nur Menschen, die, so wie wir alle, Fehler machen und ihre eigene Meinung vertreten.
Eine gesunde kritische Einstellung gegenüber der Schulmedizin und ein stärkerer Glauben in Naturheilmittel und Lebensmittel als Medizin würden uns, unserer Meinung nach, weiter bringen als blindes Vertrauen.
Zur Autorin
Alexandra Ruckstuhl und ihr Mann Markus sind bereits zum zweiten Mal aus der Schweiz nach Kanada ausgewandert. Das erste Mal kehrte die Familie zur Behandlung einer lebensbedrohenden Krankheit ihrer älteren Tochter in die Schweiz zurück. Nach erfolgreicher Operation der ersten Tochter und der Geburt der zweiten, ist Familie Ruckstuhl in ihre Wahlheimat zurückgekehrt. Mittlerweile sind mehr als drei Jahre vergangen, seit die Ruckstuhls die Schweiz zum zweiten Mal verlassen haben.