Mitte Mai haben wir uns wegen landwirtschaftlichen Bauarbeiten entschieden, unsere Kühe nur noch einmal zu melken. Wegen dem Winteranfang und dem dadurch ausgelösten natürlichen Milchrückgang hielten wir das für einen guten Zeitpunkt. Dieses einmal tägliche Melken wird hier in vielen Kleinbauernfamilien und bei solchen, die nur eine Kuh besitzen, noch oft betrieben. Wir waren etwas skeptisch, hielten es jedoch für eine gute, kurzfristige Lösung, um die Bauarbeiten und die täglich anfallenden landwirtschaftlichen Verpflichtungen eigenständig ohne zusätzliche Angestellte unter einen Hut zu bringen.

Zum ersten Mal Schnee

Das Arbeiterhaus ist nun fertig und bereits bezogen. Der Winter ist angebrochen. Zeitweise halten wir uns bei 2°C am Feuer warm. Hier herrschen extreme Temperaturen. An einigen Orten von Paraguay schneit es zum ersten Mal seit das Wetter aufgezeichnet wird. Für viele Menschen ist es eine Katastrophe. Die Häuser sind nicht für solche Temperaturen gebaut worden. Viele Familien leben ohne Fenster und haben nur offene Gittertüren.

Auch die Landwirtschaft ist natürlich betroffen. Angebaut wird das ganze Jahr. Fast niemand rechnet mit viel Frost. Viele Ernten und Grundfuttermittel sind verfroren, was fatale Auswirkungen auf die Existenzsicherung der Bauern hat. Wir hier bei uns dürfen einmal mehr dem lieben Gott danken. Unsere Lage schenkt uns viel Glück und nur an ganz kleinen Stellen zeichnet sich morgens Frost ab.

Nützliche Palmen

Seit einer Woche melken wir wieder. Ein zu rapider Milchrückgang von fast zwei Dritteln der Milchmenge konnten wir uns nicht leisten. Auch hatten wir ebenfalls zwangsmässig das Käsen einstellen müssen wegen den viel höheren Zellzahlen. Der Käse war ebenfalls eine grosse Einkommensquelle. Doch war es trotz allem ein guter Entscheid, da wir zügig bauen konnten und somit nun genug früh die Felder für den eigenen Futteranbau vorbereiten können.

Seit einer Woche arbeiten wir nun täglich daran, unsere Felder von ihrem Urgestrüpp zu befreien. 34 Palmen sind nun gefällt worden, die der Erde zu viel Nährstoffe entziehen. Wir arbeiten mit der Axt, nutzen die Palmenblätter als Rohfaserfutter und die schweren Stämme werden aufgebrochen. Das fasrige Innenmark der Palmen wird ausgekratzt und zum Feuer entfachen benutzt. Danach werden die Stämme der Palmen zugeschnitten und später als weiteres Baumaterial verwendet. Das Unkraut wird hauptsächlich durch unsere Schafe gefressen, der Rest wird mit der Motorsense und durch erlaubtes Feuer entfernt.

Es macht Spass und entfacht eine grosse Dankbarkeit, auf eigenem Land Futter und Gemüse anzubauen. Nächste Woche kommt ein Freund mit Traktor, der die ersten zwei Hektaren pflügt und für die Pflanzungen vorbereitet. Angepflanzt wird von Hand im Juli und August.

Bohnen, Ananas, Maniok …

Wir pflanzen noch mehr Kamerungras, das ist ein drei Meter hohes Grundfutter, das ständig nachwächst, sowie Maniok, eine Art Rübe, die als Nahrungsmittel für uns Menschen dient, wie auch als Hauptfuttermittel für die Schweine und Hühner. Auch Poroto, eine stickstoffliefernde Bohnenart in Form von zwei bis drei Meter hohen Sträuchern, und Erdnüsse werden angebaut. Mais, Wassermelonen, Ananas und Bananen werden dann später bis Dezember angepflanzt.

Da dies viel Arbeit ist und die Natur den Zeitplan vorgibt, melken wir am Morgen die Kühe und widmen uns nachher dem Pflanzen der neuen Kulturen. Da die Kinder im Moment wegen Corona nur virtuellen Unterricht haben, haben sie mehr Zeit, uns auf dem Betrieb zu helfen. So lernen sie zusätzlich, was es heisst, auf einem Bauernhof Verantwortung zu tragen. Arbeiten mit eigener Verantwortung, Gespräche, Freude am Bauern, Gelächter, gemeinsame, einfache Essen am Feuer, Streit und verschiedene Meinungen, verschiedene Fähigkeiten und den freien Raum, sich nach alldem zu richten, erschafft Toleranz und einen tollen Zusammenhalt.

 

Zur Autorin

Michèle Huber ist gelernte Landwirtin mit Fachrichtung Bio und Permakultur. Ein von ihr initiiertes PRE mit dem Ziel einer neu ausgerichteten regional-solidarischen Landwirtschaft fand Anklang bei Inforama, FiBL und Bio Schwand und wurde sogar vom BLW und Lanat anerkannt und finanziell mitunterstützt. Leider funktionierte die Umsetzung nicht ganz, der Landkauf gelang nicht. Überzeugt von ihren Idealen, gab Michèle Huber nicht auf und startete das Projekt nun im fernen Paraguay.