Am 12. Oktober kam unsere Tochter Elena in Varel am Jadebusen zur Welt. Sie macht uns damit zu stolzen Eltern und beschert uns viel Freude, wenig Schlaf und volle Windeln.

Das zweite schöne Ereignis war der Einzug der Kühe in den neuen Stallanbau nach gut fünfzehn Monaten Bauzeit am 24. Oktober. Gegen Ende zogen sich die Feinarbeiten länger hin als gedacht: so zum Beispiel das Verlegen der Wasser- und Stromleitungen oder das Aufschrauben der Liegeboxen und ähnliches. Der alte Stall war zum Ende hin gut besetzt.

Gutes Wetter guter Aufwuchs

Glücklicherweise spielt das Wetter aktuell noch mit, es ist wüchsig und relativ trocken. Wir konnten die Kühe bis zum Einzug in den neuen Stallanbau weiden lassen. Auch jetzt, Mitte November, sind noch 35 Rinder auf der Weide und für die nächsten zwei Wochen ist stabiles Hochdruckwetter vorhergesagt.

Zudem kann sich der Aufwuchs nach dem recht trockenen August und September wirklich sehen lassen. Jeder Tag auf der Weide zählt, denn Futter ist zumindest für das Jungvieh doch eher knapp diesen Winter.

Welsches Weidelgras wird später zu Silage

Aus diesem Grund haben wir nach der Maisernte Ende September noch gut zwölf Hektaren Welsches Weidelgras angebaut, das im Frühjahr als Silage für die Kühe geerntet wird. Anschliessend wird das Gras umgebrochen und wieder Mais ausgesät.

Eigentlich ist unsere Kuhherde absolut entspannt. Oft können es unsere Besucherinnen und Besucher aus der Schweiz beim Hofrundgang kaum glauben, dass sie gerade auf eine Herde mit 140 Milchkühen blicken. Auch bei einer so grossen Herde kann die Stimmung ruhig und gelassen sein.

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Zweimal jährlich Pediküre im grossen Stil

Es gibt jedoch zwei Ausnahmen. Die erste ist der erste Weide-austrieb im Frühjahr und die zweite ist, wenn Klauenpfleger Achim mit seinem silbergrauen Caddy mitsamt Anhänger auf den Hof gefahren kommt. Er besucht uns zweimal im Jahr, jeweils im Frühjahr und im Herbst. Es scheint, als würden die Kühe regelrecht elektrisieren, wenn das Scheppern der Abtrennungsgitter ertönt, mit denen jeweils der Triebgang zum Klauenstand aufgebaut wird.

Diesen Monat war es wieder soweit. Pro Besuch behandelt Achim etwa sechzig Kühe, die durch den vollhydraulischen Klauenstand gehen. So werden jeder Kuh einmal jährlich die Klauen geschnitten. Am Abend vor der Klauenpflege schauen wir uns während des Melkens die Klauen an und erstellen anhand der Liste vom letzten Mal und unseren Beobachtungen die neue Liste.

Pro Kuh acht Euro 

Während Achim schneidet, hilft eine Person beim Fixieren und Aufbinden und die zweite Person sortiert und treibt die Kühe nach. Abgerechnet wird pro Kuh mit aktuell acht Euro. Muss ein Klotz geklebt oder ein Verband gemacht werden, wird das extra berechnet.

44 Dienstjahre als Klauenpfleger

Achim ist 71 Jahre alt und mittlerweile sogar schon Urgrossvater. Das merkt man ihm jedoch nicht an. Er tue aber auch etwas dafür, sagt er. Zusammen mit seinem Sohn unternimmt er Wanderungen und fährt Rennrad, so hält er sich fit für die körperliche Arbeit. Klauen schneidet er schon seit über 44 Jahren. In der Mittagspause erzählt er uns, wie er zum Beruf kam.

Vom Dachdecker zum Klauenschneiden gekommen

Als er von der DDR nach Westdeutschland kam, hat er als Handlanger beim Decken von Reet-Dächern, also Schilf-Dächern, sein Haupteinkommen verdient. Dadurch sei er gut in der Gegend herumgekommen, habe Kontakt zu den Bauern geknüpft und sie als Kunden für die Klauenpflege gewinnen können.

Irgendwann sei die Auftragslage genug gross gewesen und er habe den Dachdecker-Job aufgeben können. Seinen Weggang aus der DDR habe er übrigens nie bereut, sagt er. Er habe viel Glück gehabt beim Aufbau seines neuen Lebens im Westen.

Kurz vor dem abendlichen Melken packt Achim seinen Klauenstand wieder auf den Anhänger und fährt nach über zwanzig Jahren ein letztes Mal von unserem Betrieb.

Zur Person
Sandra Hussmann (28) hat an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Agro-nomie studiert und ist andie deutsche Nordseeküste ausgewandert. Dort wohnt und arbeitet sie mit ihrem Mann auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Henrik und Rita Wefer. Zum Betrieb gehören 90 ha Grünland und 25 ha Ackerland. Der Tierbestand umfasst 130 Holstein-Milchkühe und eine ebenso zahlreiche weibliche Nachzucht. Ausserdem arbeitet sie als Beraterin teilzeitlich bei landwirtschaftlichen Innovationsprojekten mit.