Es ist Frühling hier in Paraguay, das bedeutet viel Sonne, wenig Regen und Temperaturen zwischen 25 und 35 Grad. Zeit, um unsere Betriebszweige zu diversifizieren.

Ganzheitlich und regional

Neben dem Honorar für diese BauernZeitungs-Artikel leben wir voll und ganz von den Einnahmen unseres Hofes. Er ist auf ganzheitlichen und regionalen Permakultur-Prinzipien aufgebaut und darf sich ständig weiterentwickeln. Darf, weil hier in Paraguay ein Bauer noch ein Bauer sein kann und ohne grosse Zwangsvorschriften und in Selbstverantwortung Landwirtschaft betreiben darf.

Das ergibt nicht in allen Bereichen Vorteile. Zum Beispiel wird derzeit viel Werbung dafür betrieben, wie viel zeitsparender und einfacher die Landwirtschaft dank Glyphosat funktionieren könnte. Und jeder darf ohne Kontrolle einsetzen, so viel er will. Cordillera, unsere Verwaltungsregion, ist zum Glück hügelig und als einzige Region nicht für die Grosslandwirtschaft geeignet. Das verschont uns vor wild umher spritzenden Bauern. Doch genau diese Freiheit von Vorschriften und die damit verbundene Selbstversorgung ermöglichen es uns, viele kleine Betriebszweige zu erschaffen, die uns eine angenehme Sicherheit bieten.

Verkaufen ab Hof

Wir produzieren ausschliesslich für die Direktvermarktung. Das Sicherste ist unser Milch- und Käseverkauf direkt ab Hof, der an unseren drei «Hoföffnungstagen» stattfindet. Dort verkaufen wir auch unsere Hühner- und Enteneier aus Freilandhaltung sowie unser Schweine-, Kuh- und Kalbfleisch, wenn wir jeweils eine Hofschlachtung gehabt haben.

Weiter produzieren wir für die umliegenden Tante-Emma-Läden «Paraguayerkäse» und Maniok. Und seit zwei Jahren bieten wir auf unserem Hof Seminare für Neuzugezogene an, die Interesse am Gemüseanbau, Kleintierhaltung und Heilkräutern in Paraguay haben. Wir arbeiten und pflanzen mit den Mondphasen und mit Homöopathie, was sich nun herumgesprochen und die Neugier der einheimischen Gärtner geweckt hat.

Anfragen auf Spanisch sind da, und allein der Natur zuliebe wäre es uns die Herausforderung wert. Doch da wir nun den ganzen Betrieb mit aktuell 17 Milchkühen, sechs Rindern, neun Kälbern und einem Stier nebst kleiner Schweinezucht und Ziegenmilchproduktion nur zu dritt stemmen, wird es wohl ein Projekt fürs übernächste Jahr.

Ein anderes Lebensgefühl

Hier in Paraguay geht alles viel langsamer als in Europa. Man braucht Zeit, um Ideen umzusetzen. Nicht einfach nur dann, wenn man viel zu tun hat, sondern einfach auch, weil das ganze Land in allen Dingen eine total andere Wertvorstellung hat. Doch genau diese Werte wie Menschlichkeit, Familie, Miteinander, gegenseitige Unterstützung im Dorf – das ist es, was ich liebe in diesem Land. Und so sind wir auf die Idee gekommen, ein kleines Hof-Bistro zu machen. Wir haben vor über einem Jahr angefangen zu bauen, konnten es aber erst auf den Frühlingsbeginn wirklich umsetzen – mit tollem Erfolg.

Unser kleines Bistro

Ein grosses Angebot gibt es nicht, jedoch haben wir frische Milchshakes (aus Rohmilch, mit einem Schalmtest sichergestellt) mit aktuellem Fruchtaroma vom Hof. Erdbeeren, bald Mango, Erdnüsse oder Bananen, helfen uns, eine grössere Wertschöpfung aus der Milch zu gewinnen, ohne einen grossen Mehraufwand betreiben zu müssen.

Der Renner ist der Eiskaffee und die von einem Nachbarn selbst gemachten Bioglace-Coupes. Sie werden in verschiedenen Grössen mit den Namen «Rosenhorn», «Mt. Everest» und «Himalaya» angeboten. Weiter gibt es das Chäsbrettli «Heidi», das mit eigenen Eiern, Tomaten und Holzofenbrot ebenfalls auf der Karte steht. Kuhglocken aus dem Kiental runden die Dekoration des Bistros ab und verschaffen mir ein bisschen Heimatgefühle. 

Der Kern der Idee war auch hier: Weniger ist mehr. Mehr Zeit fürs Menschliche und die Dorfintegration, und damit verbunden mehr Wertschöpfung aus der Milch.

Gesuchtes Saatgut

Aktuell können wir (mit etwas Stolz) das erste Mal auch eigenes Gemüse im Hofladen anbieten. Und der erste Kartoffelfeldversuch war ein kleiner, aber toller Erfolg. In Paraguay ist es nicht einfach, Gemüseanbau zu betreiben, und noch schwieriger ist der Anbau von Biogemüse.

So ist auch gutes, samenfestes Saatgut kaum zu bekommen. Häufig wird es über Argentinien ins Land geschmuggelt. Es ist oft teuer zu bekommen und die Samen tun sich im Auflaufen häufig schwer. So haben wir nun begonnen, für uns sowie für unseren Kundenstamm eigenes samenfestes Biosaatgut zu pflegen, sicherzustellen und sogar gezielt zu produzieren. Den folgenden Generationen, der Natur und den Bienen zuliebe – und vor allem mit grosser Dankbarkeit gegenüber dem Universum. Es hat uns schliesslich so sicheres, gesundes Essen in so grosser Fülle und Vielfältigkeit zur Verfügung gestellt.

[IMG 2] Zur Person: Michèle Huber ist gelernte Landwirtin mit Fachrichtung Bio und Permakultur. Ein von ihr initiiertes PRE mit dem Ziel einer neu ausgerichteten regional-solidarischen Landwirtschaft fand Anklang bei Inforama, FiBL und Bio Schwand und wurde sogar vom BLW und Lanat anerkannt und finanziell mitunterstützt. Leider funktionierte die Umsetzung nicht ganz, der Landkauf gelang nicht. Überzeugt von ihren Idealen, gab Michèle Huber nicht auf und startete das Projekt nun im fernen Paraguay.