Neben meiner Tätigkeit auf dem Milchviehbetrieb arbeite ich während drei Tagen in der Woche im Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen e. V. bei Projekten mit. Eines meiner Projekte nennt sich «Nefertiti». Der Name hat aber nichts mit der ägyptischen Göttin zu tun, sondern steht für die – zugegeben etwas fantasievolle – Abkürzung von «Networking European Farms to Enhance Cross Fertilisation and Innovation Uptake Through Demonstration». Zu Deutsch: «Vernetzung landwirtschaftlicher Betriebe in Europa zur Verbesserung des Austausches von Wissen und Innovationen durch Demonstration».

Insgesamt 32 Partner aus 16 europäischen Ländern sind beteiligt. Meine Rolle im Projekt ist klein: Ich bin ein sogenannter «Hub Coach», also Netzwerkverantwortliche für das deutsche Netzwerk, welches Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger in die Landwirtschaft durch Veranstaltungen vernetzt.

Austausch über Landwirtschaft in den anderen Ländern

Nachdem die letzten Treffen wegen Corona virtuell stattfanden, reiste ich Anfang April mit einer Arbeitskollegin und einem Arbeitskollegen nach Den Haag zum dreitägigen Meeting. Ich freute mich auf die Zusammenkunft und auf bekannte und neue Gesichter.

Auf dem Programm standen Vorträge zu Rück- und Ausblick sowie To-dos, die bis zum Projektende im September erledigt werden sollen. Fast noch interessanter war für mich jedoch das, was neben dem eigentlichen Programm so wunderbar möglich ist, nämlich neue Leute aus «fremden» Landwirtschaften kennenlernen. Dafür habe ich sonst selten die Gelegenheit.

Pelztierzucht in Finnland

Beim Lunch am zweiten Tag hatte ich eine interessante Unterhaltung mit der Finnin Teri. Ich schätze sie Anfang 30, sie trägt Brille und Pferdeschwanz. Im Projekt ist sie wie ich «Hub Coach» und für ein Netzwerk zuständig. Neben ihrer Tätigkeit für Nefertiti ist sie Fütterungsberaterin für Geflügel und Füchse. Ja, in Finnland ist die Pelztierzucht nach wie vor ein landwirtschaftlicher Zweig.

Ich ziehe erstaunt die Augenbrauen hoch und erkläre ihr, dass dies in Deutschland verboten und auch absolut verschrien sei. Ja aber, erklärt sie, die Haltungsbedingungen in Finnland seien besser als jene z. B. in Asien. Zwar werden die Tiere in Einzelkäfigen gehalten, hätten aber Beschäftigungsmaterial zur Verfügung und würden mit qualitativ hochwertigem Futter versorgt. So bekommen die Füchse neben Fisch und Eier auch Getreidepellets.

So ganz überzeugt mich ihre Argumentation nicht. Ich hätte mich gerne länger mit ihr unterhalten, aber da ist die Mittagspause auch schon zu Ende und das Meeting geht weiter.

Cherrytomaten für 10 Euro - pro Stück

Als ich erfuhr, dass die niederländischen Kolleg(innen) zum jährlichen Meeting einladen, musste ich, wohl etwas klischeehaft, sofort an die vielen Gewächshäuser denken. Klar, die Niederlande sind sicher nicht überall so, doch für den Besuch beim Orchideen-Aufzuchtbetrieb fuhren wir tatsächlich während gut 20 Minuten mit dem Reisebus nur durch Gewächshäuser.

Ein niederländischer Kollege zeigt während der Fahrt zum Fenster raus und erzählt, dass in diesem Gewächshaus Cherrytomaten gezogen werden, die wie Pralinen einzeln in Papier gewickelt und nach Japan verschifft werden. Dort gehen Sie für umgerechnet 10 Euro pro «Tomätli» über die Ladentheke.

Alle Arbeitsschritte automatisiert

Bei der Orchideenzucht angekommen, werden wir durch den knapp 10 Hektaren grossen Glashauskomplex geführt. Über 30 Orchideensorten werden hier unter kontrollierten Bedingungen während 43 Wochen grossgezogen. Um den Reiz für die Blüte auszulösen, werden die Pflanzen von warmen 30°C für sechs Wochen vollautomatisch ins 17°C kühle Gewächshaus verfrachtet. Die meisten Arbeitsschritte sind automatisiert sind und auch einige Kontrollen werden durch Sensoren vorgenommen. Die Arbeit der gut 70 Mitarbeitenden für das Topfen und Aufbinden der Triebe an den Stützstock sowie die letzte visuelle Kontrolle kann aber nach aktuellem Stand noch nicht ersetzt werden.

Bevor die Betreiber vor zehn Jahren ins Geschäft mit den Orchideen einstiegen, wurden in den Gewächshäusern Gurken produziert. Um einen Hektar auf diesen technischen Stand zu bringen, werden durchschnittlich schwindelerregende 10 Millionen Euro benötigt, rechnet der Produktionsleiter vor. Das ist Spezialisierung auf höchstem Niveau, so wie ich es von den Niederlanden erwartete hatte.

Zur Autorin
Sandra Honegger (28) hat an der HAFL Agronomie studiert und ist andie deutsche Nordseeküste ausgewandert. Dort wohnt und arbeitet sie mit ihrem Freund auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Henrik und Rita Wefer. Zum Betrieb gehören 90 ha Grünland und 25 ha Ackerland. Der Tierbestand umfasst 130 Holstein-Milchkühe und eine ebenso zahlreiche weibliche Nachzucht. Ausserdem arbeitet sie als Beraterin teilzeitlich bei landwirtschaftlichen Innovationsprojekten mit.