Seit bald sechs Monaten sind mein Freund Mathieu und ich nun Besitzer des Milchviehbetriebes «GAEC Bellot Junker». Zu feiern gibt es eigentlich noch nichts, denn meine To-do-Liste ist seit Anfang des Jahres eigentlich nur länger geworden, obwohl wir schon viele Punkte in Angriff genommen haben. Wir haben den Betrieb, bis auf ein paar wenige Maschinen, komplett ausgestattet übernommen, was es uns ermöglicht hat, seit dem ersten Tag voll einsatzfähig zu sein.

Aber mit dem Inventar kamen auch viele Ecken, wo sich über die Jahre weniger Nützliches angesammelt hat. Den Weg in die Entsorgungsstelle kenne ich also im Schlaf. Auf unserer Liste ist folglich Aufräumen ein Dauerbrenner, aber sicher nicht der dringendste Punkt.

Mehr Schlaf dank einer gut montierten Kamera

Wir versuchen vor allem, uns langsam, aber sicher den Alltag zu erleichtern. Sehr schnell haben wir uns zum Beispiel dazu entschieden, zwei Kameras für den Stall zu bestellen. Wir sind begeistert! Da unser Wohnhaus 400 Meter vom Stall entfernt ist, mussten wir für die Geburtenüberwachung aufstehen, in die Garage marschieren, das Auto anwerfen und hinfahren.

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Jetzt braucht es einen Blick aufs Handy und man weiss, was Sache ist. Vom Bett aus einen Blick in die Abkalbebox zu werfen, ist ein echter Komfort; ich kann es allen empfehlen, die Kühe haben.

Es gibt Baustellen an allen Ecken

Des Weiteren stehen auch diverse Revisionen von Maschinen auf dem Programm, was überhaupt nicht mein Fachgebiet ist. Zum Glück kümmert sich mein Freund und Betriebspartner Mathieu um dieses Fachgebiet. Dadurch bleibt jedoch der Umbau unseres 120 Jahre alten Bauernhauses an mir hängen. Für mich ist das eine riesige Herausforderung. Ich habe zwar nicht «zwei linke Hände», aber ich habe mich zuvor einfach nie mit dem Thema Renovation auseinandergesetzt.

Da unser Frühling jedoch sehr verregnet gewesen ist, hatte ich hier und dort Zeit, um mich langsam an diese Baustelle heranzutasten. Nach dem Ausbruch der Mauern formen sich nun bereits wieder neue isolierte Zimmer.

Das Wetter will nicht so recht mitspielen

Anfang März waren wir eigentlich zuversichtlich, bald die Weidesaison eröffnen zu können und dann alle Hände voll zu tun zu haben mit der Futterernte. Denn der Februar war mild und das Gras hatte schon zu wachsen begonnen. In der ersten Märzwoche nutzten wir das schöne Wetter, um die Zäune zu kontrollieren und alles vorzubereiten für die Weidesaison. Seither hat das Wetter jedoch gar nicht nach unseren Vorstellungen gespielt. Regen, Gewitter, Hagel, Frost – schliesslich konnten wir die Rinder und Kühe erst Mitte April hinauslassen.

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Und es bleibt mühsam: Bis auf Weiteres müssen die Kühe in der Nacht noch im Stall zugefüttert werden, denn seit zwei Wochen regnet es durchgehend. Einige Weiden entlang des Baches können wir nicht nutzen, da sie überschwemmt sind. Die Kühe fressen im Moment schneller, als dass es nachwächst. Jetzt ist ein Zeitfenster von fünf Tagen angesagt mit Sonne und warmen Temperaturen. Ich hoffe, dass dies das Gras in die Höhe schiessen lässt.

Silomais im Versuch gesät

Obwohl es mehr Gras haben sollte, werden wir auch bereits etwas mähen, da wir Silomais säen wollen. Wir sind nicht die Einzigen in unserem Dorf. Unser Nachbar macht schon seit 15 Jahren Mais und man sieht immer öfters auch Getreide, obwohl wir hier auf 900 m ü. M. sind. Natürlich erreicht der Mais hier nie den Ertrag wie im Schweizer Mittelland, aber immer noch mehr als die Naturwiesen, die hier vorwiegend wachsen.

Gleichzeitig bringt uns dies die Gelegenheit, nach dem Mais Kunstwiesen mit hohem Kleeanteil zu säen, sogenannte «Mélange Suisse», also «Schweizer Mischung». Kunstwiesen bestehen hier typischerweise nur aus Raigras. Erst jetzt kommt hier der Trend zu Mischungen auf. Das Ganze ist noch in einem absoluten Anfangsstadium, da Klee-Grasmischungen nicht überall erhältlich sind, und schon gar nicht mit mehr als vier verschiedenen Sorten drin für eine robuste Mähweide.

Unsere Aufgabenliste schieben wir für die nächsten Tage beiseite. Jetzt wird endlich die Mähsaison gestartet, auch wenn der Frühling hier im Zentralmassiv von Frankreich bis jetzt sehr verhalten war. Hoffen wir, dass uns Petrus dafür in den nächsten Wochen wüchsiges Wetter beschert und wir eine gute Futterernte einfahren können diesen Sommer.

[IMG 4]Zur Person: Lena Junker hat Agrarwissenschaften an der ETH Zürich studiert. Danach hat sie in der Schweiz für eine Futtermittelfirma gearbeitet, bis sie Ende 2022 nach Frankreich ausgewandert ist. Gemeinsam mit ihrem Freund Mathieu ist sie auf dem Betrieb von Michelle und Christian Agay angestellt, den die beiden per 2024 übernehmen wollen. Der Betrieb liegt im Massif Central auf 850 m ü. M., umfasst 96 Hektaren und  65 Milchkühe mit Aufzucht. Die Milch wird an die regionale Molkerei verkauft, wo der AOP-Käse Bleu d’Auvergne hergestellt wird.