Man hat als Mädchen oft viele Vorstellungen und Wünsche im Leben. Die einen wollen Prinzessin werden, in einem Schloss wohnen oder auf dem Einhorn reiten. Ich wollte einen Bauern heiraten und gleichzeitig Bergsteigerin werden. Keines von beidem wurde Realität, wie so viele Kinderträume.
Leidenschaft für Käse - seit jungen Jahren
Doch wurde ich in eine Bergsteigerfamilie hineingeboren und durfte auf verschiedenste Arten viele Jahre in den Bergen verbringen. Bis ich Mitte 30 den Mut fasste und mich ausbilden liess – zur Landwirtin mit Fachrichtung Biolandbau.
Am liebsten hielt ich mich auf den Alpen auf, liebte die etwas wilde Freiheit und die Käsereien. Wie das jeweils duftet. Und wie verschieden der Käse sein konnte, je nach Alpweideort mit dem jeweiligen Bergkräuterangebot, welches nirgends gleich ist.
So änderten sich die Mädchenträume mit dem älter werden und mein innigster Wunsch war, einmal eigene Tiere zu haben, selber käsen zu können und frei zu sein von allzu einengenden Vorschriften und angewiesener Agrarpolitik. Denn schnell wurde mir während der Ausbildung bewusst, dass ich hinter vielem Gelernten nicht ganz stehen konnte. Es war zu stark politisch gesteuert. Man ist als einzelner Bauer zu stark abhängig davon. Zu viel dient dem weltweiten Geldbeutel. Oft gingen meiner Meinung nach Themen wie nachhaltige Produktion und regionale Vermarktung unter.
Fazit: Ich merkte, ich war anders. Die Natur und meine eigene Vorstellung vom Leben kamen zu kurz. Man hielt mich wohl für naiv oder etwas verrückt, sei es, weil ich nicht aus einer Bauernfamilie stammte oder zu wenig Erfahrung aus der Landwirtschaft mitbrachte, oder weil ich einfach frei und ungezwungen war.
Auf und davon
Ende 2019 packten wir die Koffer, um in Paraguay meinen Träumen und Vorstellungen des Lebens und der Landwirtschaft näher zu kommen. Ich wollte mir selbst treu bleiben und mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen können. Zudem hatte ich die Hoffnung, ihnen eine andere Art von Leben, Freiheit und Landwirtschaft mit Wertschätzung mit auf den Weg geben zu können. Innert drei Jahren bauten wir mit sechs Kühen und täglichem Milchverkauf auf der Strasse unseren Bauernhof auf. Noch frei von Papieren und Vorschriften. Heute dürfen wir bis zu 6,5 eigene Hektaren und 11 Hektaren Pachtland bewirtschaften.
Wir versuchen, nebst unserem Grundfutter zur Versorgung all unserer 100 Tiere (Schweine, Ziegen, Schafe, Pferde, Enten, Gänse und Hühner), unser eigenes Kraftfutter für die Kühe anzubauen. Dasselbe gilt für den Anbau unseres Biogemüses für die Kunden und unseren Eigenbedarf. Kontrollvorschriften der Tierhaltung wie Hygiene in Stall und Produktion haben wir keine. Jeder trägt die Verantwortung seines Tuns selbst. Die beste Kontrolle ist die Kundschaft.
Die Freude der Kundschaft liess einen Traum erfüllen
Schnell hat sich unsere Qualität herumgesprochen und wir dürfen neu seit Ostern monatlich über 80 Gäste jeweils an unserem sonntäglichen Bauernhofbrunch begrüssen, an dem wir auch unsere Produkte verkaufen. Dies sprach sich herum und bald hatten wir Einladungen verschiedener Gemeinden, die uns gerne mit einem Tisch an ihrem Markt haben. Die Freude unserer Kundschaft an unserem Tun und unseren Produkten erfüllte uns sehr. Denn Sie ermöglichen uns damit, einen lang ersehnten Traum zu erfüllen.
Mit dem Gewinn der ersten drei Brunches durften wir eine eigene kleine Käserei bauen. Ein Traum ging in Erfüllung. Eine eigene Käserei. Zeit, um Käse herzustellen, um auszuprobieren, zu verfeinern, sich zu verbessern, Erfahrungen zu sammeln, die noch fehlen. Menschen fahren über zwei Stunden Auto, um hier unseren Käse zu kaufen. Keine Riesenproduktion, jedoch mehr Freude, Wertschätzung und Wertschöpfung unseres Tuns, mit dem wir gut leben können.
Zur Person
Michèle Huber ist gelernte Landwirtin mit Fachrichtung Bio und Permakultur. Ein von ihr initiiertes PRE mit dem Ziel einer neu ausgerichteten regional-solidarischen Landwirtschaft fand Anklang bei Inforama, FiBL und Bio Schwand und wurde sogar vom BLW und Lanat anerkannt und finanziell mitunterstützt. Leider funktionierte die Umsetzung nicht ganz, der Landkauf gelang nicht. Überzeugt von ihren Idealen, gab Michèle Huber nicht auf und startete das Projekt nun im fernen Paraguay.