Gleich vorweg kann ich all jene beruhigen, die sich aufgrund meines letzten Artikels um die herzigen Nager, die Viscachas, gesorgt haben. Dank der argentinischen Bürokratie leben diese Plagegeister weiter, denn ich habe meinen Waffenschein immer noch nicht erhalten. Nach vier Monaten fanden die Behörden heraus, dass ich zwei Steuernummern habe, und da war die Verwirrung komplett. So, Sarkasmus Ende.

Ich habe inzwischen einen anderen Weg gefunden, die Viscachas davon zu überzeugen, dass mein Nachbar die bessere Wohnoption bietet. Unermüdlich habe ich die Ein- und Ausgänge der Höhlen mit Steinen und Erde zugeschüttet, bis es ihnen zu anstrengend wurde, täglich alles freizugraben. Die meisten von ihnen sind weitergezogen.

Ein neues Fohlen

Nun aber zu etwas viel Erfreulicherem: Sinan, ein Hengstfohlen, hat die argentinischen Sonnenstrahlen erblickt und ist nun der ganze Stolz von Stute Vainilla und natürlich von uns. Doch die Freude wurde zunächst getrübt.

Die Geburt verlief, wie bei uns üblich, auf der Weide innerhalb der Herde. Als ich am Morgen das zweite Mal nach dem Rechten sah, musste das Fohlen etwa eine halbe Stunde zuvor geboren worden sein. Es machte einen sehr lebendigen und starken Eindruck, denn so schnell war noch keines der bisher acht Fohlen, die bei uns auf die Welt gekommen sind, mit Aufstehen und der Suche nach dem Euter.

Eine gefährliche Situation

Mein erster Impuls war es, die Plazenta zu suchen, um zu sehen, dass keine Teile davon in der Stute zurückgeblieben sind. Diese Angelegenheit ist bei Pferden recht heikel, denn bereits nach wenigen Stunden kann es zu Vergiftungen der Stute kommen, wenn die Plazenta nicht komplett abgeht.

Da sah ich das Problem: Die Plazenta war noch zu einem grossen Teil im Inneren der Stute und hing zum anderen Teil fast bis zum Boden hinab. Wenn sie darauf treten und sich die offensichtlich verklebte Plazenta wegreissen würde, könnte die Stute verbluten.

Schweizer Züchterkollegen helfen weiter

Mein Puls schoss hoch, denn es war eine gefährliche Situation, und alle möglichen Horrorszenarien kamen mir in den Sinn. Ein Tierarzt ist nicht so schnell zur Stelle, also nahmen meine Tochter Zoé und ich die Sache selbst in die Hand. Wir machten einen Knopf in die Plazenta, damit sie nicht mehr bis zum Boden hing. Dann rief ich zwei meiner Züchterkollegen in der Schweiz an.

Christoph und auch Heidi sind sehr erfahrene Züchter und hatten schon Hunderte Fohlen. Ich bin heute noch sehr dankbar, dass sie mich gut beraten haben und mir sagten, dass ich im Uhrzeigersinn ganz vorsichtig drehen müsse. Diese Aufgabe übernahm Zoé, die keine Berührungsängste zeigte und gefühlvoll während einer halben Stunde die Plazenta nach dieser Methode löste, bis sie von alleine herunterfiel, ohne dass die Stute Blutungen erlitt. Die Stute war sichtlich erleichtert, und man spürte die ganze Zeit, dass sie unsere Hilfe gerne annahm.

Nachtwache bei den Pferden

Meist, wie auch in diesem Fall, wenn es Probleme mit der Plazenta gibt, findet der Milcheinschuss nicht richtig statt. Und so riss die Problemkette nicht ab. Hinzu kam, dass streunende Hunde, die beim Nachbarn vor einem Monat ein Kalb gerissen hatten, von der Fohlengeburt Wind bekamen und in sich in der Nähe aufhielten. So entschied ich mich, die ersten Nächte draussen bei den Pferden zu verbringen und zu wachen, was schliesslich auch seinen Reiz hatte bei Vollmondschein.

Allen Anfangsschwierigkeiten zum Trotz meisterten wir zusammen alle Hürden und lernten aus der neuen Situation. Ich bin froh, dass noch vor Beginn der grossen Mäharbeiten Ruhe eingekehrt ist und Sinan heute mit der Herde die Weiten erkundet.

Viel zu mähen

Wir sind nun genau vier Jahre hier, und so viel Grün haben wir noch nie gesehen. Dank regelmässiger Niederschläge gab es so viel Aufwuchs, dass von überallher Anfragen fürs Mähen kommen. Zu den eigenen 60 Hektaren Kunstwiese summieren sich zirka weitere 100 Hektaren von Dritten.

Andere Dimensionen

Wenn ich mit meinem 4 Meter breiten Mähwerk einmal um mein Feld fahre, habe ich eine Hektare gemäht. So gross war damals in der Schweiz die Schlaggrösse meiner Parzellen – eine Feldumfahrt! Die Grössenverhältnisse sind unvorstellbar. Wenn sich der Tag dann zu Ende neigt, dann denke ich wehmütig zurück an die kleinen Flächen in der Schweiz, aber am nächsten Morgen ist das wieder verflogen, und ich nehme voll Tatendrang die Fettpresse hervor, um das Mähwerk erneut einsatzbereit zu machen.

Zur Person: Mit 40 Jahren wechselte Egon Tschol von seinem Beruf als Finanzanalyst in die Landwirtschaft und übernahm 2009 einen Betrieb von elf Hektaren im schaffhausischen Klettgau. Er stellte auf Demeter und Mischfruchtanbau um. Mit Ehefrau Bea und denzwei Töchtern Fiona und Zoé sowie sechs Pferden wanderte er 2020 nach Argentinien aus, um die erlernte Regenerative Landwirtschaft auf einer 15-mal grösseren Fläche uneingeschränkt anzuwenden.
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