Wenn wir gewusst hätten, welch grosser organisatorischer und bürokratischer Aufwand entsteht, wenn man sein Hab und Gut in einen Container verpackt und nach Argentinien verschifft, hätten wir vermutlich auf alle unsere Möbel, Werkzeuge, Pferdeutensilien, Kleider und die wenigen Maschinen, die aufgrund ihres Alters als Dekorationsmaterial durch den Zoll gingen, verzichtet.

Verzicht übten wir schon in Bezug auf die landwirtschaftlichen Maschinen, da es klar war, dass sie in gebrauchtem Zustand nicht eingeführt werden konnten. Nur neue dürfen eingeführt werden, doch darauf werden Zölle erhoben, die im Bereich von 80 % auf dem Neupreis liegen, was gleichbedeutend mit einem finanziellen Ruin wäre. Kurzum, es blieb praktisch alles in der Schweiz.

Den alten Freunden «Schnappi» und «Emma» Adieu sagen

Am meisten reute mich «Schnappi», der rote, gezogene Fahr-Mähdrescher M66/TS mit Baujahr 1973. Er und «Emma», der Fendt Farmer 104S mit Turbogetriebe, waren praktisch Teil der Familie.

Nicht alle Maschinen erhielten Namen, aber sie fehlen hier dennoch, denn was Maschinen anbelangt, wurde ich in kurzer Zeit ernüchtert. 

«Die Auswahl ist sehr eingeschränkt, ebenso die Verfügbarkeit.»

Sagt Egon Tschol über den argentinischen Occasionsmarkt.

Auf dem Occasionsmarkt erhält man nur sehr alte und stark gebrauchte Exemplare zu überteuerten Preisen. Dies als Nebeneffekt der Hochzollpolitik und Einfuhrbeschränkung. Die Occasionstraktoren halten sich extrem im Wert, vor allem, wenn es sich um bekannte amerikanische oder europäische Marken handelt.

Die Lichter am Traktor sind nur zur Zierde

Die wenigsten haben eine Dreipunktkupplung, meist nur einen Zugpendel. Die Kabinen sind häufig hinten offen und ohne Klimaanlage. Lichter sind manchmal nur Verzierungen, denn ihren Geist haben sie schon lange aufgegeben.

Beliebt sind Traktoren mit einfacher Mechanik, die in jeder Hinterhofgarage repariert werden können. Man hält sich mit Bedacht an Marken, deren Ersatzteile im Inland verfügbar sind. Frontlader sind eine Seltenheit.

Zu viel Kraft und zu wenig Flächenleistung

Es gibt keine Kreiseleggen – zu viel Kraftaufwand, zu wenig Flächenleistung –, keine Schmetterlingsmähwerke, Mistzetter, Güllefässer, Tiefenlockerer, Mulcher, Fräsen und schon erst recht keine Pflüge, abgesehen von den ausgestellten Pferde-Einscharpflügen. Aber selbst die rücken die Argentinier nur widerwillig und unter Androhung hoher Preise heraus – weil diese oft ein Erinnerungsstück vom Abuelo, sprich dem Grossvater sind.

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Ausrangierte Scheibeneggen dienen als Wok

Da war ich nun mit 150 Hektar Land, ohne Traktor, ohne Maschinen und mit einem unbrauchbaren Angebot an Landmaschinen. Gut, es gibt Lohnunternehmer, die meist über die neusten Traktoren verfügen.

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Aber ausser grossdimensionierten Scheibeneggen und gigantischen Direktsämaschinen ziehen sie keine für meinen Zweck dienlichen Geräte. Die ausrangierten Scheiben der Egge werden mit einem aufgeschweissten Rand versehen und als Wok auf dem Feuer benutzt, um darin Essen für 10 Gäste und mehr zuzubereiten.

Zudem muss man froh sein, wenn sich jemand für weniger als 50 Hektar die Mühe macht, vorbeizukommen. Es gilt der Grundsatz, dass eine Farm in Argentinien erst ab 400 Hektar profitabel wird.

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Ich bin also wie schon in der Schweiz ein Nischenspieler unter Giganten. Schnell merkte ich, dass in unserer Region Luzerneklee stark gesucht ist – das grüne Gold. Anders als in Europa zählt Luzerneklee oder Alfalfa, wie er hier heisst, zum besten Pferdefutter. Um uns herum gibt es viele Pferdezüchter und -halter.

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Ich liess knapp 50 Hektar mit einer Mischung aus verschiedenen Gräsern und Alfalfa von meinen Nachbarn ansäen. Bei der ersten Ernte half mir Dieter, ein weiterer Nachbar, ein Deutscher, aber seit 24 Jahren hier, mit dem Mähen aus. Aber es war mehr ein Gefallen als ein Geschäft für ihn. Ich merkte, dass ich künftig unabhängiger sein wollte.

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Spass auf dem Traktor - vielleicht auch bald für Tochter Fiona

Der langen Einleitung kurzer Sinn: Ich habe mir einen neuen Traktor gekauft und ein Mähwerk, welches mindestens über vier Meter Schnittbreite verfügt. Ich bin dabei, einen eigenen Sternradschwader und eine Kleinballenpresse zu kaufen.

Seit ich über einen Traktor und ein Mähwerk verfüge, erhalte ich Aufträge von Nachbarn und es scheint kein Ende in Sicht. In den letzten Tagen mähte ich bereits über 130 Hektar und verbrachte so viel Zeit auf dem Traktor wie in all den Jahren in der Schweiz nicht. Moment – so war das nicht gedacht! Aber eigentlich macht es mir Spass.

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Vielleicht kann ich in Zukunft meine ältere Tochter Fiona dafür begeistern, sie hat ja noch vor der Auswanderung ihre Lehre als Landwirtin absolviert.

Zur Person
Mit 40 Jahren wechselte Egon Tschol von seinem Beruf als Finanzanalyst in die Landwirtschaft und übernahm 2009 einen Betrieb von elf Hektaren im schaffhausischen Klettgau. Er stellte auf Demeter und Mischfruchtanbau um. Mit Ehefrau Bea und den zwei Töchtern Fiona und Zoé sowie sechs Pferden wanderte er 2020 nach Argentinien aus, um die erlernte Regenerative Landwirtschaft auf einer 15-mal grösseren Fläche uneingeschränkt anzu­wenden.