Seit dem 1. Mai fühlt es sich an, als ob wir kaum zur Ruhe kommen. Nun haben wir offiziell zusätzlich zu unserer Mini-Landwirtschaft mit 330 Legehennen mit vorwiegend Direktvermarktung im Dorf auch den «grossen» Betrieb bzw. die volle Verantwortung für gut 150 Milchkühe und die ebenso zahlreiche Nachzucht. Im Frühjahr geht es bekanntlich nach der langen Winterpause los mit dem ersten Schnitt, Gülle und Dünger ausbringen, Kühe anweiden und Rinder etwas entlegen auf die Sommerweiden bringen, Maisland herrichten, den zweiten Schnitt fahren. Dazu kommt noch unser Bauprojekt.

Warum übergibt man den Hof ausgerechnet zum 1. Mai? In Deutschland können landwirtschaftliche Betriebe festlegen, ob die Buchhaltung a) nach dem Futterbaujahr (also vom 1. Mai bis 30. April) oder b) nach dem Ackerbaujahr (1. Juli bis 30. Juni) oder c) nach dem «normalen» Kalenderjahr geht. Die Überlegung dahinter ist, dass so die Lager in der Anfangsbilanz bzw. der Schlussbilanz relativ leer sind (Grassilo aufgebraucht bzw. Getreide verkauft) – und so das umzubuchende Inventar gering ausfällt.

Altes macht Platz für Neues

Die Übergabe war auch Startschuss für unser neues Projekt: Drei Melkroboter der Marke DeLaval und ein neuer Milchtank sollen bis zum Herbst eingebaut sein, sodass wir zum Ende der Weidesaison mit Einmelken an den Robotern beginnen können. Dafür musste der altehrwürdige Kohlschuppen weichen. Dieser, ursprünglich dafür gebaut, um den auf dem Betrieb angebauten Kohl zu lagern, hatte schon etlichen Generationen von Kälbern als Stall gedient und war prägend für das Hofbild. Leider war er mit dem Robotergebäude nicht zu vereinbaren, weshalb die Kälber seit Ende Frühjahr ein Abteil im Strohstall/Strohlager bewohnen. Die Beton- und Mauerarbeiten für das Rotobergebäude sind dank des trockenen Wetters im Mai und Juni so weit bereits abgeschlossen. Jetzt warten wir auf den Zimmermann für Träger und Dach, bevor dann Wasser- und Stromleitungen verlegt und die drei Robotereinheiten an Ort und Stelle installiert werden können. In der Zwischenzeit müssen Futtersilos umgestellt und neu verankert werden sowie das Fundament für den neuen Aussenmilchtank gegossen werden.[IMG 2]

Viel Bürokratie

Ich hatte vorletzten Winter den Kurs «Agrarbüromanager(in)» bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen besucht, um mich mit den deutschen bürokratischen Vorgängen ein wenig vertraut zu machen. Vieles ist dem Schweizer System ähnlich, doch war beispielsweise die Wiederholung in Sachen Buchhaltung oder Agrarförderung ganz hilfreich. Zugegeben bin ich trotzdem überrascht – jetzt, wo es ernst gilt – wie viel und an welchen Stellen was wie um- oder angemeldet werden muss. Die Umstellung hat aber – soweit wir da zum aktuellen Zeitpunkt beurteilen können – im Grossen und Ganzen gut funktioniert, obwohl wir in der kritischen Anfangszeit durch Henriks Wegzug in sein neu gebautes Haus am anderen Ende vom Dorf erstmal ohne zuverlässiges Internet auskommen mussten.

[IMG 4]

Der Betriebsnummer-Krimi

Einen kleinen Krimi hatten wir aber doch erlebt: Die Anträge für eine neue Betriebsnummer für die GAP-Förderungen (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) werden ab dem 1. Mai bearbeitet. Der 1. Mai ist hier ebenfalls Feiertag und war ein Donnerstag, als kann man damit rechnen, dass die Behörden den 2. Mai als Brückentag mitnehmen und dann frühestens am Montag mit der Bearbeitung beginnen. Der Antrag muss bis spätestens zum 15. Mai eingereicht sein. Und ohne Nummer hatten wir auch keinen Zugang zum Programm, um etwas vorzubereiten.

Es ist aber dann alles gut ausgegangen: Die neue GAP-Nummer kam am Samstag mit der Post, am Montag hatten wir den Termin beim Landvolk, um den Antrag zu bearbeiten. Das Landvolk ist vergleichbar mit dem Bauernverband und bietet auch hier Leistungen wie Versicherungsmakler oder Dienstleistungen in der «Grünen Buchhaltung» (Düngebilanzen, Agrarförderung usw.) an. Zum Glück hat aber alles einwandfrei funktioniert – und der Antrag konnte fristgerecht eingereicht werden.

Zur Person
[IMG 3]
Sandra Hussmann (30) hat an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Agronomie studiert und ist an die deutsche Nordseeküste ausgewandert. Dort wohnt und arbeitet sie mit ihrem Mann auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Henrik und Rita Wefer. Zum Betrieb gehören 90 ha Grünland und 25 ha Ackerland. Der Tierbestand umfasst 130 Holstein-Milchkühe und eine ebenso zahlreiche weibliche Nachzucht.