Die meisten Bauern in Neuseeland setzen auf Kühe, einige auch auf Obstanbau. Ziegenbetriebe hingegen sind Mangelware. Gerade einmal rund 70 solcher Farmen gibt es im Land mit fünf Millionen Einwohnern. Eine davon gehört René und Verena Burri und befindet sich in Te Aroha im nördlichen Teil der Nordinsel. Der 39-Jährige stammt aus Luthern im Luzerner Hinterland, die 44-Jährige aus Fulda im deutschen Bundesland Hessen.
«Dass es in Neuseeland nur wenige Geissenbetriebe gibt, hat uns den Einstieg erleichtert», erläutert René Burri im Gespräch mit der BauernZeitung. Denn die neuseeländischen Bauern hätten kaum Interesse daran, da Ziegenmilch ein Nischenprodukt sei und die Tiere quasi die ganze Zeit im Stall verbringen würden. Dies wiederum sei deshalb der Fall, weil es auf der Nordinsel des Landes kaum Frost gibt. Die Wärme und die Feuchtigkeit führen laut dem Landwirt dazu, dass der Lebenszyklus der parasitären Würmer, die auf den Weiden leben, nicht unterbrochen wird, so dass sich diese ganzjährig vermehren können und die Ziegen beim Grasen infizieren würden.
Preis im Keller
Seit 2010 lebt das Ehepaar mit seinen zwei Söhnen (14- und 12-jährig) in Neuseeland. Zuerst war es für eine Kuhfarm zuständig, seit 2015 setzen die beiden selbstständig auf Geissen. «Wir haben den Betrieb von null auf aufgebaut», sagt Verena Burri. 32 Hektaren und 600 Geissen gross ist ihr Betrieb. Sie halten Saanenziegen, also eine Rasse, die ursprünglich aus der Schweiz stammt. 95 Prozent der Geissen im Land sind laut dem Auslandschweizer Saanenziegen. «Schweizer Geissen haben uns in Neuseeland die Selbstständigkeit ermöglicht.»
Die Tiere verbringen ihren Alltag in einem Stall. Dieser ist anders als Schweizer Ställe jedoch auf den Seiten offen. «Eigentlich ist es mehr wie ein permanenter Unterstand», stellt René Burri klar. Mit einem Swing-Over-Melkstand für 44 Geissen werden diese gemolken.
Das Haupteinkommen besteht aus dem Verkauf der Ziegenmilch, die dann wiederum zu Milchpulver verarbeitet und dann international als Babynahrung verkauft wird. Der Preis ist derzeit, anders als Kuhmilch, mit umgerechnet sieben Franken pro Kilogramm Milch solid im Keller, wie der Familienvater erklärt. Etwas über elf Franken sei in Ordnung, über zwölf Franken gut. «In Neuseeland ist es aber normal, dass der Preis rauf und runter geht, da die Landwirtschaft ein freier Markt ist.»
Grund für den niedrigen Preis sei die Pandemie. «Vor Corona konnten wir kaum genug liefern. Nun besteht ein extremes Überangebot», führt René Burri aus. Derzeit würden viel mehr Leute zuhause bleiben, was wiederum dazu führe, dass mehr Mütter ihre Babys stillen statt Babynahrung zu kaufen. Zu grosse Sorgen macht sich das Ehepaar jedoch nicht. «Die nächsten zwei, drei Jahre bleiben wohl schwierig. Aber wir sind optimistisch, dass wir das schaffen. Denn wir sind jung und haben viel Energie», sagt Verena Burri.
Schabernack im Kopf
Der Schweizer und die Deutsche arbeiteten zuvor nie mit Geissen. Nun geniessen sie es. «Eine Ziege hat immer Schabernack im Kopf, sie ist ein Charaktervieh», erklärt die gelernte Apothekerin, die für die Buchhaltung zu-ständig ist und auf dem Hof überall mit anpackt. Sie hätten sich für die Tiere entschieden, weil man weniger Land brauche als für eine Kuhfarm. «Der Einstieg ist deswegen leichter und günstiger», sagt René Burri. Ausserdem seien die Ziegen auch gut gewesen für die damals jungen Buben. «Sie konnten gut mit den Tieren spielen. Bei Kühen wäre eine grössere Gefahr bestanden.»
Die Haltung von Geissen sei aber auch sehr intensiv, betont der Luzerner. «Es braucht mehr Maschinen, Angestellte und Gebäude. Alles ist auf Höchstleistung ausgerichtet.» Die schulische Ausbildung in der Schweiz habe ihm sehr geholfen, etwa beim Entwerfen der Gebäude. Denn in Neuseeland kenne man sich kaum mit Ziegenwirtschaft aus. «Viele Geissenfarmer hier sind Holländer, da diese sich gut mit den Tieren und intensiver Landwirtschaft auskennen.» Ausgewandert ist das Ehepaar schon vor längerer Zeit. Zuerst lebte es in der Schweiz und in Deutschland, wo sich allerdings nie die Möglichkeit zu einem eigenen Hof bot. Danach zog es die Familie für zweieinhalb Jahre nach Kanada, bevor sie 2010 nach Neuseeland umsiedelte. «Wir sind sehr offen für Neues», begründet Verena Burri den Schritt. Zudem müsse man «schon etwas verrückt» sein. Aber die Selbstständigkeit sei ein grosser Treiber gewesen. Diese können sie nun in Neuseeland geniessen, auch wenn die Zeiten momentan nicht die einfachsten sind.
Zur Person:
Matthias Stadler stammt aus Brunnen SZ. Der 34-Jährige hat an der ZHAW in Winter- thur Journalismus studiert und danach über fünf Jahre bei der «Luzerner Zeitung» als Redaktor gearbeitet. Seit Anfang 2020 lebt er mit seiner neusee- ländischen Frau in ihrer Heimat und schreibt als Korrespondent für verschiedene Deutschschweizer Zeitungen. Seine Freizeit verbringt Matthias Stadler am liebsten in der Natur.