Ich habe insgesamt sechs Monate in den USA verbracht, drei davon im Rahmen des IFYE-Programms. Meine Reise startete mit dem Flug von Zürich nach New York. Ich reiste bereits zwei Wochen vor dem eigentlichen «Orientation Weekend», dem Einführungswochenende für alle Teilnehmer des IFYE-Programms, in der Hauptstadt Washington DC an, um mir die Möglichkeit zu geben, die Ostküste zu erkunden.
Spontan zu sein ist Trumpf
Nach dem Orientation Weekend begann dann das dreimonatige geplante IFYE-Programm im Bundesstaat Oregon. Nach den Aufenthalten in meinen Gastfamilien machte ich einen Roadtrip mit einer Freundin aus der Schweiz. Wir trafen uns in Las Vegas und erkundeten anschliessend verschiedene Nationalparks in Utah, Arizona und Kalifornien. In Los Angeles trennten sich unsere Wege wieder.
Überraschenderweise war mein anschliessender Stopp nicht geplant – wie noch so vieles, wenn man sich auf das IFYE-Abenteuer einlässt. Ich landete nämlich bei einer fremden Familie, die ich in Oregon kennengelernt habe und die mich spontan bei sich aufnahm. Sie waren nicht Teil des IFYE-Programms, kannten jedoch meine erste Gastfamilie und wollten mich unbedingt bei sich aufnehmen. Tja, was soll ich sagen, so etwas passiert wohl, wenn man sich auf ein solches Wagnis einlässt. Ich war sehr dankbar, denn sie boten mir damit auch die Möglichkeit, San Francisco und den Norden Kaliforniens zu erkunden.
Meine drei Gastfamilien
Meine erste Gastmutter Carol lebt in Tumelo, Oregon. Sie ist eine 80-jährige pensionierte Lehrerin, die in einem wunderschönen Haus wohnt. Ich unterstützte sie beim Bewässern des Grünlandes, das sie auf ihrem Grundstück bewirtschaftet. Bevor ich nach Amerika reiste, war mir der Bundesstaat Oregon gänzlich unbekannt. Durch Carol verliebte ich mich aber schnell in die endlosen Wälder, die wunderschönen Wasserfälle und das regenfreie, warme und herrliche Sommerwetter.
«Für mich wurde gerade ein Traum wahr, von dem ich eigentlich gar nicht wusste, dass ich ihn überhaupt hatte.»
Den Traum möglich gemacht hat das IFYE-Programm (International Farm Youth Exchange, dt. Internationaler Landjugendaustausch).
Meine zweite Gastfamilie lebt nur etwa 40 Minuten von Carol entfernt in Prineville und besteht aus meiner Gastmutter Cindy, ihrem Ehemann Jeremy und den Teenagern Macee und Hadlee (15 und 11), die viel Unterhaltung in mein Leben brachten. Definitiv eine chaotische und liebevolle Familie, mit der es nie langweilig wurde. Wir verbrachten unsere Zeit mit Ausreiten, mit dem Stand-up-Paddle auf dem Fluss und beim Zusehen von Rodeos und Pferderennen. Ich habe diese Familie fest in mein Herz geschlossen und ihr Haus wurde richtiggehend zu meinem zweiten Zuhause.
Die dritte Gastfamilie, die Kennedys, leben nur eine dreistündige Autofahrt entfernt. Sie wohnen etwas nördlicher, nahe der Grenze zu Washington State in Hermiston. Die Kennedys sind kaum landwirtschaftlich tätig. Doch mit ihren ungefähr 25 Haustieren war immer etwas los. Ich verbrachte meine Tage grösstenteils mit dem Spielen oder Füttern der Haustiere, bestehend aus Hunden, Katzen, Ziegen, Hühnern, Pferden, Schweinen, einem Truthahn und einer Kuh mit ihrem Kalb.
Einen Traum erfüllt
Ich wollte schon immer ein Pferdemädchen sein. Cindy, meine zweite «Hostmum» (Gastmutter) und ihre Familie machten diesen Traum wahr. Ihre Nachbarn halten 300 Angus-Rinder, alle mit jeweils einem Kalb, welche sie über den Sommer auf einem gemieteten Grundstück in den Bergen weiden lassen. Zusammen mit Cindy und Macee sowie den Pferden Arice, Martha und Raudy durfte ich das echte Cowgirl-Gefühl einen Tag lang erleben.
«Alles in allem ein schwieriges Unterfangen.»
Kühe vom Pferderücken aus zu treiben, ist gar nicht so einfach.
Frühmorgens sattelten wir die Pferde, luden sie in den Anhänger und fuhren rund eine Stunde in die Berge. Auf dem rund 3000 Hektaren grossen Grundstück mussten wir die Kühe erst mal finden und sie von der einen Weide in die andere treiben. Dies machten wir alles auf dem Rücken der Pferde. Der genaue Aufenthaltsort der Kühe stand zu Beginn noch etwas in den Sternen. Durch das Spurenlesen und Auffinden von frischem Kuhmist fanden wir einzelne kleine Gruppen von Kühen.
Nun ging es an die Herkulesaufgabe, alle Kühe in die richtige Richtung zu treiben. Als wir anfingen, die Tiere von ihrem gemütlichen Platz aufzuscheuchen, trennten sie sich auf. Also, alles in allem ein eher schwieriges Unterfangen. Ich übernahm daher die einfachste Gruppe, die sich bereits auf der Strasse befand, während die anderen versuchten, die Ausreisser einzukreisen und mir hinterher zu treiben.
Keine Kuhflüsterin?
Da war ich also, ganz allein, mitten im Nirgendwo, in steilem Gelände mit etwa 10 Kühen vor mir. Für mich wurde gerade ein Traum wahr, von dem ich eigentlich gar nicht wusste, dass ich ihn überhaupt hatte. Das Pferd nicht nur als Freizeitaktivität, sondern auch als Arbeitspartner zu haben, erfüllte mich unglaublich. Ich gab mein Bestes, um die Gruppe Kühe mit Kälbern beisammen zu halten und in die richtige Richtung zu treiben. Die Tiere hatten jedoch andere Pläne und bogen scharf links ab, mitten in den Wald. Ich ritt schnell hinterher und einmal ganz um die Gruppe herum, um sie wieder auf die Strasse zu bekommen. Es stellte sich schnell heraus, dass ich wohl keine Kuhflüsterin bin. Die Tiere steuerten immer weiter ins Dickicht und ich verlor langsam ein wenig die Orientierung.
Obwohl ich nicht die Schnellste war, bleibt mir dieser Tag als einer der erfüllendsten in Erinnerung!
Stefanie Habegger nimmt schöne Erinnerungen heim von ihrem IFYE-Aufenthalt in den USA.
Ich war froh, immer noch nahe genug bei den anderen zu sein, um konstant per Funkgerät in Kontakt zu sein. Auch wenn die Anweisungen teilweise etwas verwirrend waren. Ich startete mit meiner Gruppe als Erste und war dennoch die Letzte, die ihre Kühe durchs Tor auf die nächste Weide führte.[IMG 2]
Obwohl ich nicht die Schnellste war, bleibt mir dieser Tag als einer der erfüllendsten in Erinnerung! Draussen in der Sonne auf dem Rücken eines Pferdes, umgeben von Natur und Kühen, auf den endlosen Weiden, einer Landschaft, die beinahe an echte Wildnis erinnert. Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen und ich hoffe sehr, dass ich irgendwann die Möglichkeit habe, das Ganze zu wiederholen.
Zur Person
Stefanie Habegger ist 23 Jahre alt und wuchs in ländlicher Umgebung im Kanton Solothurn auf. Schon während ihrer Ausbildung zur Schreinerin war ihr Wunsch zum Reisen gross. Über eine Werbungsanzeige auf Social Media wurde sie auf das IFYE-Programm (International Farm Youth Exchange, dt. Internationaler Landjugendaustausch) aufmerksam. Auch ohne landwirtschaftliche Erfahrung wollte sie ein Sommer auf verschieden Ranches in den USA verbringen. So begann im Juni 2023 das langersehnte Abenteuer.