Der Winter ist vorbei und schon messen wir im Frühling wieder 38 Grad Celsius. Zweimal hatten wir frühmorgens Frost. Wir hatten jedoch wieder viel Glück und es ist nur ein kleiner Teil unseres stehenden Grundfutters erfroren, während an anderen Orten ganze Maisfelder der Bauern erfroren und ihr Grundfutter zerstört wurde. Auch hier fühlt sich das Wetter an wie ein Wechselbad der Gefühle. Von 0 Grad Celsius am Morgen bis anderntags über 30 Grad C gehört hier schon fast zur Normalität.
Wenige Pistoleneinsätze
Mitte Juli kam unser Freund mit dem Traktor und unsere frisch gesäuberten zwei Hektaren wurden gepflügt. Die Säuberung war viel Handarbeit. Mit Rechen und Heugabeln wurde geputzt und mit Feuer das restliche Gras abgebrannt. Die flächenabbrennende Säuberung ist hier noch gang und gäbe, obwohl sie auch hier mittlerweile verboten ist. Nur macht es jeder und trotz auch hier herrschendem Neid und Nachbarschaftsuneinigkeiten zwischen den Einheimischen verpfeift man einander nie, weil jeder die Hilfe des Feuers zu schätzen weiss.
Zudem wäre das auch aus moralischen Gründen ein No-Go. Ist man in diesem Land arg in Uneinigkeit geraten, wird diese mit einer langen Terere-Runde (einheimischer Kräutertee, der mit einem Halm in der Runde getrunken wird) gelöst oder kurz und bündig mit der Pistole. Die Paraguayer sind jedoch Meister darin, Lösungen zu finden – deshalb kommt die Pistole in dieser Gegend kaum zum Einsatz.
Alle sind dabei
Nach einem lang ersehnten Regenschauer im Juli ging es dann ans erste Anpflanzen von neuem Kamerunpasto, das wir als Grundfutter benötigen. Zudem pflanzten wir auch einige Reihen Poroto, eine stickstoffliefernde Bohnenart, die als Nahrungsmittel im eigenen Haushalt gebraucht werden kann, sich aber auch beim Verkauf grosser Beliebtheit erfreut.
So wurde die Grossfamilie aufgeboten. Morgens um 6 Uhr erschienen die ersten, die ein feines traditionelles Morgenessen vorbereiteten oder im Offenstall und Melkunterstand dabei halfen, die morgendliche Arbeit so schnell wie möglich zu beenden. Morgens um 7.30 Uhr waren wir dann alle auf dem Feld. Vom Baby bis zur Grossmutter zählten wir 13 Personen – alle ausgerüstet mit dem obligatorischen Sonnenhut und Werkzeug. Machete und Asada waren dieeinzigen Bestandteile unserer Arbeitsausrüstung für die Handarbeit.
Hand in Hand
Schnell war die Arbeitsteilung klar geregelt: Die Grossmutter passt auf die beiden Babys auf, die zwei Sportlichsten graben mit der Asada die Furchen für das Saatgut, zwei Starke schlagen an einem anderen Ort stehendes, vier Meter hohes Kamerungras, dessen Stämmchen wir als Saatgut wiederverwenden. Weitere zwei Personen tragen jeweils diese Kamerunstangen zum Anpflanzort, wo wiederum zwei Kinder sie überlappend in die vorbereiteten Furchen legen.
Zum Abschluss geht eine Person mit der Machete die Linien durch und zerkleinert die Saatgutstangen jeweils in zwei Zentimeter lange Stücke. Ein weiteres Kind deckt diese dann wieder mit Erde zu. Und die 13. Person ist ein lieber Kochengel, der unser Mittagessen über dem Feuer vorbereitet. Zur Stärkung aller gibts Taillerin con Pollo, hofeigene gerupfte Hühnersuppe mit Nudeln und den obligatorischen Manioka – eine Rübenart, die hier zu allem wie Brot dazu gegessen wird.
Gemütliches Beisammensein
Erstaunlich schnell ist ein super Team auf dem Feld, das so arbeitet, als wäre es schon lange eingespielt. Es wird gelacht und gewitzelt. Die liebe Köchin versorgt uns immer wieder mit nötigem Trinkwasser und auch die obligatorischen Terere-Runden werden eingehalten. Müde und trotzdem entspannt erholen wir uns alle abends bei einem verdienten Asado, einem hier traditionell üblichen Grillfest. Lachend und zufrieden blicken wir auf unser Tageswerk: eine frisch angepflanzte halbe Hektare. Alles ohne Maschinen und ohne Lohnzahlung. Nicht so schnell wie mit Traktor und Sämaschine, dafür mit Freude, Familienzusammenhalt und Einfachheit. Das ist Erfüllung.
Zur Autorin
[IMG 2]Michèle Huber ist gelernte Landwirtin mit Fachrichtung Bio und Permakultur. Ein von ihr initiiertes PRE mit dem Ziel einer neu ausgerichteten regional-solidarischen Landwirtschaft fand Anklang bei Inforama, FiBL und Bio Schwand und wurde sogar vom BLW und Lanat anerkannt und finanziell mitunterstützt. Leider funktionierte die Umsetzung nicht ganz, der Landkauf gelang nicht. Überzeugt von ihren Idealen gab Michèle Huber nicht auf und startete das Projekt nun im fernen Paraguay.