Der Sommer in Norddeutschland ist Einstellungssache. Dieses Jahr ganz besonders. Lange wollte der Sommer nicht so richtig «aus dem Quark» kommen, wie man hier so schön sagt. Die nassen Bedingungen hatten zur Folge, dass wir unsere Kühe so spät wie noch nie zuvor auf die Weide lassen konnten.
Ein Jahr ohne Getreide
Der Boden war lange viel zu nass und das Gras wurde praktisch über Nacht viel zu lange, um die Kühe darauf zu weiden. Entsprechend haben wir zum ersten Schnitt alle Flächen gemäht. Auch der zweite und der dritte Schnitt waren sehr ertragreich und von guter Qualität. Der Silomais, der bei den Bedingungen keinen leichten Start hatte, holte in den letzten Wochen dank nun doch noch sommerlichen Temperaturen um die 25 °C tüchtig auf.
Für dieses Jahr haben wir kein Getreide angebaut, stattdessen hatten wir die Flächen zur Futtergewinnung eingeplant. Das zusätzliche Futter hätten wir nun nicht unbedingt gebraucht. Doch dieses Jahr war ganz und gar kein Getreidejahr, sodass wir uns über die unverhofften Futter-reserven freuen dürfen.
Die Tradition wird weitergeführt
Seit dem 1. August 2024 hat Timo einen Auszubildenden oder, wie die Deutschen so schön sagen, einen Azubi. Damit führen wir eine Tradition weiter, die bereits vor 90 Jahren gestartet ist. 1934 fing der Diplomlandwirt Wilhelm Renken mit der Ausbildung junger Männer zum Landwirt an. Er hatte meistens zwei, selten drei Lehrlinge gleichzeitig und in seiner Laufbahn insgesamt 90 Lehrlinge ausgebildet. Seine Frau Gertrud geborene Dohm bildete in der ländlichen Hauswirtschaft rund 60 junge Mädchen aus, ebenfalls jeweils zwei pro Jahr.
«Damit führen wir eine Tradition weiter, die bereits vor 90 Jahren gestartet ist.»
Sandra Hussman, Auswanderin
Zu dieser Zeit war der Hof vielfältiger aufgestellt und die Arbeiten waren mit viel Handarbeit verbunden. Es wurden beispielsweise Weisskabis und Rüben angebaut und Schweine gehalten. Wilhelms und Gertruds jüngster Sohn Klaus fand so seine Frau Marlene, die für ein Lehrjahr zur Hauswirtschafterin nach Ruhwarden kam. Marlene und Klaus heirateten, hatten zusammen vier Kinder und folgten dem Beispiel der (Schwieger-)Eltern und bildeten selbst bis 1994 Lehrlinge aus.
In dieser Zeit hatte sich der Betrieb gewandelt und mehr in Richtung Milchvieh entwickelt. Marlene und Klaus hatten jeweils einen Lehrling für «draussen» und eine Lehrtochter für «drinnen». Marlene erzählte mir, dass sie mit der Ausbildung von Lehrtöchtern aufgehört hat, weil Klaus 1990 zwei Lehrlinge für die Landwirtschaft hatte. Klaus letzter Lehrling ging 1994 vom Hof.
Willkommen Jannik Krutzsch
Nun, nach 30 Jahren Unterbruch, tritt Jannik Krutzsch sein zweites Ausbildungsjahr bei uns an. Jannik ist 17 Jahre alt und gross gewachsen. Der Teenager ist noch grösser als Timo. Jannik kommt von einem Milchviehbetrieb aus Butjadingen.
Das erste Lehrjahr als Landwirt hat er in der Berufsschule verbracht. Bei der Berufswahl hatte er sich für die Richtungen Verkauf, Landtechnik und Anlagebau interessiert. Schlussendlich hat er sich dann aber doch für die Ausbildung zum Landwirt entschieden. Am liebsten kümmert er sich um die Kälber oder ist mit dem Hochdruckreiniger fleissig. Das dritte Lehrjahr wird er in der Region Osnabrück, ebenfalls auf einem Milchviehbetrieb, jedoch mit 400 Kühen, absolvieren. Dann ist er 18 und dank des Führerscheins etwas mobiler. Seine Klasse in der Berufsschule, die er einmal wöchentlich besucht, zählt 27 Schülerinnen und Schüler.
Ein Hof voller Erinnerungen
Übrigens: Schon Janniks Opa, Helmut Heins, war auf dem Hof Ruhwardergroden in der Lehre. Dass «unser» Hof bei vielen Erinnerungen an die Lehre weckt, habe ich schon öfters bei Gesprächen mit Leuten aus der Region bemerkt. Wenn ich gefragt wurde, wo wir unseren Betrieb denn haben, bekam ich bereits mehrmals zur Antwort: «Ah ja, da war ich in der Lehre.» Vor ein paar Wochen besuchte uns ein 87-jähriger Mann auf dem Hof und stellte sich als ehemaliger Lehrling vor. Vor 70 Jahren hatte er hier gelernt. Damals gab es nur das Altgebäude, das nun der Laufstall für das Jungvieh ist, und den «Kohlschuppen», der zwei Kälbergruppen mit Tränkeautomaten beherbergt.
[IMG 2] Zur Person:
Sandra Hussmann hat an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Agro-nomie studiert und ist andie deutsche Nordsee-küste ausgewandert. Dort wohnt und arbeitetsie mit ihrem Mann auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Henrik und Rita Wefer. Zum Betrieb gehören 90 ha Grünland und 25 ha Ackerland. Der Tierbestand umfasst 130 Holstein-Milchkühe und eine ebenso zahlreiche weibliche Nachzucht.