Auf der einen Seite ist es schön, sich keine Sorgen um Waldbrände machen zu müssen, auf der anderen Seite wäre es jetzt dann doch mal Zeit, wenigstens eine Woche lang keinen Regen zu haben, damit wir zumindest etwas Futter für den Winter produzieren können.

Die kurzen Zeitfenster nutzen

Wobei: Nachdem wir in drei Wochen 150 mm Niederschlag hatten, brauchen wir schon fast eine Woche ohne Regen, bevor wir überhaupt, ohne «Leisen» zu machen, ins Feld fahren können. Es ist zum Haareraufen. Das Futter auf den Wiesen liegt schon ab und wir können nicht mähen.

Falls es dann doch mal noch abtrocknet, können wir zum Glück silieren und müssen nicht ausschliesslich Heu machen. Das lässt uns etwas mehr Flexibilität und setzt uns nicht ganz so stark unter Zeitdruck. Trotzdem müsste es natürlich einige Tage «schonen», um die etwa 40 Hektaren gemäht, geschwadet und gepresst zu kriegen. Gewickelt werden die Ballen am Stück, nicht individuell.

Es ist Erntezeit in Feld und Garten

Auf der Süd-Farm bei Nanton wird die Ernte in den nächsten zwei Wochen starten. Auch im Garten lässt sich bereits das eine und andere pflücken und so hat die Einmachsaison begonnen. Ach, was sage ich, bei uns ist das Einmachen doch gar nicht saisonal! Wir pflücken und sammeln schon seit dem Frühling Wildpflanzen, von Brennnesseln über Weidenröschen bis hin zu wilden Himbeeren. Daraus werden Tees, Suppen und Gelees gemacht. Und was wir nicht sofort essen mögen, wird eingemacht, getrocknet oder gefriertrocknet für den Winter.

Im Moment sind viele leere Gläser in der Garage, und im Vorratsraum sind die Gestelle nur lückenhaft gefüllt. Bald aber wird der Vorrat an leeren Gläsern schwinden und die Lücken werden sich füllen. Unsere Kids nennen mich «The Queen of Jars» (die Königin der Einmachgläser) und das ist ein Titel, den ich gerne und mit Stolz trage. Das ist wirkliche Nachhaltigkeit, kein Kaufen von CO2-Kredit, wie es die grossen Firmen machen. Für uns ist das ein Lebensstil und keine Marketing-Strategie.

Unsere Kinder sollen verstehen, woher das Essen kommt und wie viel Arbeit und Zeit dahintersteckt, etwas anzubauen und zu ernten. Das verbindet sie mit der Natur, welche uns versorgt, und gibt uns allen mehr Unabhängigkeit, weil wir sehen, dass wir selbst die Fähigkeit haben, uns zu versorgen.

Neue Stiere sollen für Nachwuchs sorgen

Unsere zweite Milchkuh Rina kalbte am 2. August. Gerade rechtzeitig, um eine weitere Runde zu käsen. Wir haben nur noch drei Käselaibe von der Winterkäserei von Allys’ Milch, also höchste Zeit, den Vorrat wieder aufzustocken.

Damit die Mutterkühe dann nächsten Frühling auch wieder kalben, wurden diese Woche die Stiere von der Süd-Farm gebracht. Ein Nachbar von Lowes betreibt ein Tiertransport-Geschäft und so ist es meist Doug, welcher grössere Transporte für Lowes ausführt. In diesem Fall brachte er 15 Stiere und 19 Kühe. Abgeladen wurden sie auf der Kiesstrasse neben dem Feld, in dem die Kühe und Kälber momentan sind. Mit einer mobilen Laderampe geht das schnell und problemlos. Nun hoffen wir, dass die «Jungs» ihren Job machen und dabei nicht von Raubtieren gestört werden.

[IMG 2]

Wölfe und Kojoten leben im Busch

Leider haben wir bereits zwei Kälber an Kojoten oder Wölfe verloren. Welche der beiden Raubtierspezies es ist, können wir anhand der Bissstellen und Reisswunden nicht feststellen. Aber nach der Art der Attacke zu urteilen, ist es ein Canine, also ein Tier aus der Familie der Hunde. Laut einem Nachbarn und dem Vorbesitzer der Farm, welche beide Kameras aufgestellt haben respektive hatten, hat es durchaus ein aktives Wolfsrudel in der Gegend. Wir hören aber auch die Kojoten nachts heulen, bellen und kläffen und die können auch ziemlich aggressiv sein, wenn sie hungrig sind.

​Unsere Hunde bewachen zwar die «Homebase» ziemlich gut und sind nachts meist draussen am Bellen, aber die Kühe sind im Busch und im Wald und somit auf sich selbst gestellt. Da nimmt man es ihnen doch gleich nicht mehr so übel, dass sie uns manchmal fast über den Haufen rennen. Um ihre Kälber in so einer Umgebung beschützen zu können, müssen sie halt etwas angriffslustig sein. Ich kann das nachvollziehen, es geht mir auch so in dieser Welt.

Zur Person: Alexandra Ruckstuhl und ihr Mann Markus sind 2015 zum zweiten Mal aus der Schweiz nach Kanada ausgewandert. Das erste Mal kehrte die Familie zur Behandlung einer lebensbedrohenden Krankheit ihrer ersten Tochter Josephine in die Schweiz zurück, die zum Glück erfolgreich verlief. Nach der Geburt der zweiten Tochter Elena ist Familie Ruckstuhl in ihre Wahlheimat zurückge­kehrt. 2019 ist Sohn Quinn auf die Welt ge­kommen. Seit 2022 wohnen sie in der Nähe des Weilers Sunset House, wo Markus Ruck­stuhl auf einer grossen Farm angestellt ist.[IMG 3]