Ein «Sau-Glück» hatten die zwei Ferkel, die wir im Juli von unseren Nachbarn gekauft hatten. Am dritten Tag, nachdem sie bei uns eingezogen waren, vergass ich, das Tor doppelt abzuriegeln, und prompt brachen die zwei Schlitzohren aus. Wir kämmten die Umgebung ab, sobald wir den Ausbruch bemerkten, aber konnten nichts entdecken.
Sind Schinken und Speck verloren?
Nach einigen Tagen ohne ein Lebenszeichen kamen wir zum Schluss, dass die kleinen Kerlchen einem der vielen Raubtiere im Wald zum Opfer gefallen sein mussten. Wir gaben unsere Hoffnung auf Schinken und Speck für dieses Jahr auf, bis Markus im September zwei seltsame Tiere im Wald verschwinden sah. Da ein Eber braun und der andere beige mit dunklen Flecken war, war unser erster Gedanke aus der Ferne, dass es zwei junge Schwarzbären sein mussten.
Quinn und ich gingen dann mit dem 4-Rad-Töff auf Erkundungstour und sahen an derselben Stelle zwei Tiere am Waldrand. Sobald die zwei uns hörten, ergriffen sie die Flucht. Aber der Gangart nach zu urteilen, mussten es Angehörige der Schweinefamilie sein. Nach mehreren Sichtungen in derselben Gegend, etwa einen Kilometer vom Hof entfernt, fing Markus an, Futter auszubringen. Das kann natürlich heikel sein, vor allem im Herbst, wenn die Bären für den kommenden Winter Gewicht aufstocken.
Den Ausbrechern auf der Spur
Den Paarhuferabdrücken im Schlamm nach zu urteilen, waren es aber jeweils die Schweine, die zur Fütterung kamen. Nach einer Woche stellte Markus ein paar Gitter um die Fütterungsstelle. Als wir zwei Tage später Futter ausbrachten, stöberte Savannah, die Anatolische Schäferhündin, die zwei «Wildsäue» im umliegenden Gebüsch auf.
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So konnten die zwei Schweine im Gehege in die Enge getrieben und festgehalten werden. Seit Anfang Oktober sind die zwei Jungs nach über zweieinhalb Monaten im Wald nun wieder auf dem Hof. Markus hat buchstäblich «den Speck gerettet» – he saved the bacon, wie eine englische Redewendung lautet, wenn man das Schlimmste verhindert.
Erfolgreich Futter geerntet
Die Futterproduktion ging dieses Jahr ziemlich glatt über die Bühne. Neben 700 Ballen Heu wickelte die Crew 1243 Ballen Hafersilage. Ein Teil des Hafers wurde an die Schwade gemäht. Die Kühe werden nach dem Absetzten der Kälber in diese Felder gelassen und können dort von der Made grasen, bis der Schnee fällt oder sie alles gefressen haben – was auch immer zuerst kommt.
Dieses Jahr wurden die Kälber in zwei Gruppen an zwei verschiedenen Tagen sortiert, aufgrund der Verfügbarkeit von Lastwagen zum Transport nach Nanton. Grundsätzlich ist das kein grosser Nachteil, abgesehen davon, dass wir den Lärm zweimal haben. Wenn 150 bis 200 Kühe und ebenso viele Kälber 12 Stunden lang direkt beim Haus ununterbrochen muhen, dann zehrt das an den Nerven. Wenn dann die Kälber geladen und unterwegs sind, halbiert sich der Lärm, aber die Kühe muhen noch zirka zwei Tage lang ab und an vor sich hin. Da schätzt man die Ruhe danach umso mehr!
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Eine eigene Version von Thanksgiving
Am zweiten Montag im Oktober feiern die Kanadier jeweils Thanksgiving. Wie so viele andere Feiertage ist auch dieser zum reinen Kommerz reduziert worden und es geht oft nur darum, einzelne Punkte abzuhaken. Wie genau man seinen Dank an die Natur mit einem Truthahn aus der Massentierhaltung und einem «Pumpkin Pie» (Kürbiskuchen) aus dem Grossverteiler ausdrücken kann, ist mir nicht ganz klar. Aber die Tradition verlangt es halt, da stellt man keine Fragen.
Es ist natürlich keine schlechte Idee, dankbar zu sein und den Abschluss der Erntesaison zu feiern. Aber man sollte vor lauter Gruppenzwang nicht den eigentlichen Sinn hinter dem Feiertag vergessen. Wir feierten Thanksgiving mit hauptsächlich selbst Angebautem und metzgen zwei der Truthähne, die seit dem Frühling frei auf dem Hof ihr Leben geniessen konnten. Sie waren denn auch kleiner als ein Truthahn aus dem Massentierhaltungsstall, aber dafür durften sie jeden Tag draussen sein, konnten Insekten jagen und waren nur nachts im Stall zu ihrem eigenen Schutz.
Mit vielen Leuten am Tisch
Neben einer anständigen Ernte im Garten und einem im Grossen und Ganzen guten Jahr mit den Tieren und der Ranch waren wir dieses Jahr auch dankbar dafür, dass wir endlich die offene Stelle besetzen konnten. Seit Frühling waren wir in Kontakt mit einer britischen Familie, die nach Kanada auswandern wollte. Nachdem im Juli die Einreisepapiere ausgestellt worden waren, kamen sie Ende September an. So sagten wir am 14. Oktober Dank mit den zwei Vollzeitangestellten plus Familien am Tisch und hoffen auf eine gute Zusammenarbeit in der Zukunft.
[IMG 4]Zur Person: Alexandra Ruckstuhl und ihr Mann Markus sind 2015 zum zweiten Mal aus der Schweiz nach Kanada ausgewandert. Das erste Mal kehrte die Familie zur Behandlung einer lebensbedrohenden Krankheit ihrer ersten Tochter Josephine in die Schweiz zurück, die zum Glück erfolgreich verlief. Nach der Geburt der zweiten Tochter Elena ist Familie Ruckstuhl in ihre Wahlheimat zurückgekehrt. 2019 ist Sohn Quinn auf die Welt gekommen. Seit 2022 wohnen sie in der Nähe des Weilers Sunset House, wo Markus Ruckstuhl auf einer grossen Farm angestellt ist.