Unser kürzlich neu erworbenes 6 ha grosses Weide- und Ackerland ist eingezäunt. Zurzeit weiden in Abschnitten unsere Kühe darauf. Unsere vorgesehenen Anbauten von Mais, Maniok und Erdnüssen müssen wir alle in den September verschieben, was fast ein Jahr Futtermittelverlust bedeutet. Doch nun ist etwas Unvorhergesehenes dazwischengekommen.
Enteignet ohne Wenn und Aber
Die Familie unserer guten Bauernhofseele Victor muss ihr eigenes Grundstück und Haus verlassen. Sie wurden, wie viele andere Familien und Landwirtschaftsbetriebe, einfach von heute auf morgen ohne Einspruchsrecht enteignet. Der Staat plant und baut eine grosse Umfahrungsstrasse um die Stadt ohne Wenn und Aber. Ein einfacher Betrag für das Eigenheim wird den Familien ausbezahlt, für die Grundstücke entschuldigt sich der Staat damit, dass es an Geld fehle und zu einem späteren Zeitpunkt nachbezahlt werde.
Stellenwert der Familie
Die Familie hat in diesem Land allererste Priorität. So entscheiden wir kurzerhand, ein Wohnheim und ein Arbeiterhaus auf unserem neuerworbenen Weideland zu bauen. Landwirtschaftliches Bauen in Paraguay ist noch unkompliziert und benötigt keine Bewilligungen, sofern es zur privaten Existenz dient.
Geplant – gebaut – fertig
Nach einem sonntäglichen Grillfest wird ausgemessen; die Eckpfeiler werden gesetzt. 8 × 8 m für fünf Personen. Drei Schlafzimmer, ein Bad mit Dusche, eine Küche und eine kleine Ruhestube. Gebaut wird aus Backsteinen und Zement. Das Haus bekommt ein Giebeldach; für das Abwasser gibts eine Sickergrube. Nun sind wir zu dritt, teilweise zu viert am Bauen. Es macht Spass und lässt mich darüber staunen, wie einfach es sein kann, wenn man keine grossen Ansprüche hat und das Klima keine grossen Herausforderungen an die Bauart stellt. Nach vier Wochen sind der Rohbau und das Dach fertig; alles steht auf einem 1 m tiefen Fundament. Nun sind sechs Wochen vergangen und die Kanalisierung, die Elektrizität, Innen- und Aussenverputz sind geschafft; alles neben dem ganz normal weiterlaufenden Bauernbetrieb. In zwei bis drei Wochen sollte das Haus fertig sein.
Es sind jedoch noch einige weitere landwirtschaftliche Bauten geplant, wie etwa ein kleines Käsehäuschen, ein erweiterter Schweinestall, ein grösserer Hühnerauslauf, ein eingezäunter Auslauf für Mutterkühe sowie ein Schwimmteich für unsere Enten und Gänse. Da wir uns keine Hilfsarbeiter leisten wollen, suchen wir nach Lösungen zur Arbeitserleichterung.
Das Melken neu organisiert
Die im November bestellte Melkmaschine kam im März. Sie ist eine Erleichterung und schenkt nicht nur Zeit, sondern schont auch unsere Handgelenke bei mittlerweile 12 Milchkühen. Doch die ruhige Harmonie morgens früh oder das entspannte Plaudern abends beim gemeinsamen Handmelken überlasse ich nur ungern dem brummenden Motorgeräusch mit seinem pulsierenden Takt.
Das Melken reduziert
Seit längerem reden wir immer wieder darüber, unsere Kühe nur noch morgens zu melken, um uns mehr Zeit zu schenken für andere zeitintensive Arbeiten. Wie alles bringt auch das seine Vor- und Nachteile. Doch gerade jetzt kristallisiert sich ein guter Zeitpunkt heraus, da die Tiere wegen eines Kälteeinbruches von 2 bis 3 Tagen gerade ein wenig von der Milch gefallen sind. Somit beschliessen wir heute, ab sofort nur noch morgens zu melken. Ein anfänglicher Milchrückgang und erhöhte Zellzahlen sind zu erwarten, Mastitis hoffen wir zu umgehen, da wir nicht Hochleistungskühe halten und durch den Winteranfang immer ein Milchrückgang zu bemerken ist. Doch genaue Tatsachen werden uns die nur die Erfahrung und der morgige Tag bringen.Michèle Huber
Die Autorin
Michèle Huber ist gelernte Landwirtin mit Fachrichtung Bio und Permakultur. Ein von ihr initiiertes PRE mit dem Ziel einer neu ausgerichteten regional-solidarischen Landwirtschaft fand Anklang bei Inforama, FiBL und Bio Schwand und wurde sogar vom BLWund Lanat anerkannt und finanziell unterstützt. Leider funktionierte die Umsetzung nicht ganz, der Landkauf gelang nicht. Überzeugt von ihren Idealen, gab Michèle Huber nicht auf und startete das Projekt nun im fernen Paraguay.
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