Vor zwei Wochen hatte der Arbeitskreis Aktive Bäuerinnen des Landfrauenverbandes Wesermarsch zu einem Gespräch mit der SPD-Politikerin und Bundestagsabgeordneten Susanne Mittag eingeladen. Anlass dazu gab in erster Linie eine Studie zur Rolle der Frau in deutschen Landwirtschaftsbetrieben. Frau Mittag wollte einen Einblick in die Lebens- und Arbeitssituation der Bäuerinnen in der Wesermarsch bekommen. Zusammen mit vier anderen Bäuerinnen haben wir aus unserem Alltag erzählt.

Bürokratie und Wolf machen zu schaffen

Die erste Rednerin ist Deichschäferin. Zusammen mit ihrem Mann hält sie rund 500 Mutterschafe, die den Deich entlang des Flusses Weser weiden. Sie erzählt von ihrem Werdegang mit Ausbildung zur Landwirtin und Meisterin. Als Schäferin ist und war sie in den letzten Jahren mehrmals von Wolfsangriffen betroffen. «Es ist absolut nicht schön, zu einem ‹Wolfstatort› gerufen zu werden», sagt sie. Verbissene und angenagte, noch lebende Tiere lägen auf der Weide verstreut, der Rest der Herde sei nach einem Angriff völlig verstört.

«Die Schafe sind für den Hochwasserschutz der Bevölkerung dringend notwendig. Wir machen schon lange darauf aufmerksam und doch passiert nichts. Wir fühlen uns nicht ernst genommen», führt die Schäferin aus. Was sie ausserdem ankreidet, ist die Tatsache, dass die Bürokratie je länger je mehr Zeit in Anspruch nimmt. Sie könne sich daran erinnern, dass ihre Eltern für ihren landwirtschaftlichen Betrieb eine Schublade hatten, worin «alles Wichtige» verstaut wurde. Heute brauche man dafür einen ganzen Raum voll mit Ordnern und viel Zeit.

Eine 180-Grad-Wende: «Moore müssen nass»

Die zweite und die dritte Rednerin bewirtschaften mit ihren Männern je einen Milchviehbetrieb im südlicheren Teil des Landkreises und betreiben einen Hofladen. Die Sorgen ihrer Vorrednerin teilen auch sie, doch hat für sie standortbedingt auch das Thema der Moor-Wiedervernässung eine tragende Rolle. Trockengelegte Moore setzen grosse Mengen an CO2 frei und tragen somit zum Klimawandel bei. Bis 2035 soll gemäss der EU-Klimastrategie «Fit for 55» eine vollständige Klimaneutralität erreicht werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es bis in die 1990er-Jahre darum, wertlose, unproduktive Moorflächen für die Ernährungssicherheit trockenzulegen, tief zu pflügen und in die Produktion zu nehmen. «Wasser muss weg», hiess der Tenor in der Nachkriegszeit. Das Vorhaben wurde durch politische Anreize und Gelder stark gefördert.

Nun stehen die Gebiete mit Moorstandorten vor einer 180-Grad-Wende: «Moore müssen nass». Was oft vergessen wird, ist, dass durch die Trockenlegung auch Siedlungsraum geschaffen wurde. Bedeutet: Nicht nur die Landwirtschaft (insbesondere die Milchwirtschaft) ist von der geforderten und geplanten Vernässung betroffen.

Dialog und Wertschätzung

Der Zielkonflikt zwischen dem dringend notwendigen Klimaschutz und den (sozio-)ökonomischen Folgen der Wiedervernässung macht den ansässigen Bäuerinnen und Bauern Angst. Unser Betrieb liegt auf einem Marsch-Standort, also auf Tonboden, und ist daher von der Vernässung nicht betroffen. Als junge Landwirtin wünsche ich mir von der Politik mehr Planungssicherheit. Es ist nicht möglich, alle vier Jahre bei einem Regierungswechsel den Betrieb umzukrempeln.

Und von der Gesellschaft wünsche ich mir mehr Dialogbereitschaft. Es scheint mir, als sei die deutsche Bevölkerung der Landwirtschaft gegenüber negativer eingestellt, als dies in der Schweiz der Fall war oder ist. Es sollten mehr Angebote für Hofbesuche im Lehrplan vorgesehen sein und das Fach Kochen und Hauswirtschaft sollte für alle Stufen wieder Pflicht sein. Ich denke, dass so die Wertschätzung für das Essen und auch für die Produktion verbessert würde.

Zur Person: Sandra Hussmann (28) hat an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Agro-nomie studiert und ist an die deutsche Nordseeküste ausgewandert. Dort wohnt und arbeitetsie mit ihrem Mann auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Henrik und Rita Wefer. Zum Betrieb gehören 90 ha Grünland und 25 ha Ackerland. Der Tierbestand umfasst 130 Holstein-Milchkühe und eine ebenso zahlreiche weibliche Nachzucht. Ausserdem arbeitet sie als Beraterin teilzeitlich bei landwirtschaftlichen Innovationsprojekten mit.