Heute ist der 15. November 2021, um ein Haar hätte ich die Abgabe meines Auswanderin-Artikels total vergessen. Wir waren viereinhalb Tage ohne Wasserversorgung. Ein Steuergerät der Tiefbrunnenpumpe ist kurz vor dem Wochenende ausgestiegen. Dies bei über 30°C, mehr als hundert Tieren und Familien mit Kleinkindern. Da ist ein kleines Chaos vorprogrammiert und der Zeitungsartikel rückt leicht in den Hintergrund.

Genügend Alternativen

Doch in Paraguay ist auch dies kein Problem. Man trinkt gemeinsam Terere, einen Tee aus Mate, der sehr verbreitet ist in Paraguay und wartet, bis alles wieder wie gewohnt funktioniert. Die Kühe, Schafe und Ziegen tränkten wir ab dem zweiten Tag mit Schweizer Milchkannen. Das Wasser nahmen wir vom nächsten Fluss. Die Schweine bekamen etwas mehr Schotte als Wasser und die Hühner, Enten und Gänse mussten sich mit dem Wasser des Ententeiches begnügen. Abends trafen sich dann alle am Pool, um gemeinsam zu duschen und die Kleider zu waschen. Ob wir uns dabei mehr schmutzig machten als sauber, sei dahingestellt.

Unregelmässiger Anbau

Im September haben wir zu zweit von Hand eine halbe Hektare Mais angepflanzt. Heute, zwei Monate später, blüht der Mais und trägt seine Kolben. In ungefähr drei Wochen können wir ernten. Dreimal im Jahr lässt sich hier in dieser Gegend Mais anbauen.

Ein Bauer aus der Schweiz würde unseren Mais wahrscheinlich sehr belächeln. Hier wächst alles sehr unregelmässig, hat Lücken und Blattfrass von Ameisen. An gewissen Stellen ist der Mais schön dunkelgrün, kräftig und bereits schulterhoch. An anderen Stellen ist er hellgrün, blass und nur kniehoch. Ziemlich sicher eine Schande in der Schweiz. Doch ich bin stolz auf meinen ersten eigenen Mais und glücklich. Angebaut von Hand, gesät von Hand, jedes einzelne Korn.

Unterschiedliche Saattiefe, durch Handanbau verursacht, ist wohl der Grund für das unregelmässige Wachstum des Maises. Die grossen, schönen, dunkelgrünen Pflanzen wachsen exakt da, wo wir beim Säubern des Campos all die Unkräuter und Asthaufen verbrannten. Als Bodendecker und Feuchteregulierung pflanzten wir zwischen den Maislinien verschiedenste Kürbissorten an. Die Samen dazu hatten sich bei uns aus gekauften Kürbissen angesammelt. Mit Freude durften wir die ersten Kürbisse bereits ernten. Ein Teil der Ernte brauchen wir selber, der Rest wird verkauft.

Die Unkrautregulierung fand von Hand mit der Asada statt, das ist ein spatenähnliches Werkzeug, das für alles eingesetzt wird, wie Ansäen, Furchen ziehen, Säubern, zur Beseitigung des Unkrauts oder zum Beton mischen und vieles mehr. Dabei war die Bepflanzung mit Kürbissen zwischen den Reihen eine riesengrosse Hilfe und ersparte somit fast die gesamte Arbeit, um das Unkraut zu beseitigen. Es ist also schon fast Bioanbau pur – wären da nicht die gebeizten Maissamen, die nicht nur gegen Schädlinge geimpft sind, sondern auch mindestens drei Kolben pro Pflanze tragen. Anderes Saatgut existiert hier nicht.

Kein Paradebeispiel

Dieser Mais wird im Osten und der Region Gran Chaco im ganz grossen Stil angebaut. Er wird mit Glyphosat gespritzt, exportiert in die ganze Welt und verfüttert an die Mutterkühe, die danach durch das Merkosur-Abkommen in der Schweiz als Spezialitätenfleisch verkauft werden. Somit ist also mein Maisfeld wohl kein Paradebeispiel fürdie Schweizer Landwirtschaftsschule. Doch getraue ich mich hier eine Frage zu stellen an die Weltpolitik, die die Kontrolle haben will, an die europäische Landwirtschaftspolitik, die den Druck ausüben muss, an die Schweizer Bauern, die gezwungen werden, umzudenken und an die Konsumenten und Konsumentinnen, die die Wertschätzung der Produkte wieder lernen dürfen: Ist weniger nicht doch viel mehr?

Zur Person: 
Michèle Huber ist gelernte Landwirtin mit Fachrichtung Bio und Permakultur. Ein von ihr initiiertes PRE mit dem Ziel einer neu ausgerichteten regional-solidarischen Landwirtschaft fand Anklang bei Inforama, FiBL und Bio Schwand und wurde sogar vom BLW und Landat anerkannt und finanizell unterstützt. Leider funktionierte die Umsetzung nicht ganz, der Landkauf gelang nicht, überzeugt von ihren Idealen, gab Michéle Huber nicht auf und startete das Projekt nun im fernen Paraguay.