Während manche Landwirte in Neuseeland Stunden entfernt von der Zivilisation leben, geniessen andere die Nähe zu den Grossstädten. So etwa Simon und Rahel Bichsel. Die beiden Emmentaler leben in Kaiapoi und somit nur eine kurze Autofahrt von Christchurch, Neuseelands grösster Stadt auf der Südinsel, entfernt. «Uns war es wichtig, dass es schulische Angebote für unsere drei Kinder in der Nähe gibt», erklärt die 37-jährige Pflegefachfrau aus Schwanden im Emmental. Und trotzdem können sie auch die Vorteile des Landlebens geniessen. Während der Lockdowns im Land hatte der Nachwuchs die 250 Hektaren des Betriebes zur Verfügung, um seine Energie loszuwerden.

Produkte bleiben im Land

Auf dem Gelände wird Gemüse- und Ackerbau betrieben. Simon Bichsel ist der Farmmanager und schaut entsprechend, dass alles mit rechten Dingen zu- und hergeht. So ist der 42-Jährige etwa für den Verkauf verantwortlich und organisiert die Anbauplanung. Der Betrieb hat drei Standbeine, wie der gelernte Ingenieur-Agronom aus Rüegsbach erläutert. Getreidebau (hauptsächlich Weizen und Gerste), Saatgut- sowie Gemüseproduktion. Letztere ist das wichtigste Standbein der Farm. Auf 20 Hektaren baut der Emmentaler Süssmais an, für Kürbisse stehen zwanzig Hektaren und für Rosenkohl vier Hektaren zur Verfügung. Verkauft werden die Produkte mit Ausnahme des Saatguts fast ausschliesslich im Inland.

Für die neuseeländische Landwirtschaft ist das eher ungewöhnlich: Die Milchwirtschaft beispielsweise, mit Abstand die grösste Sparte der Landwirtschaft, liefert ihre Produkte grösstenteils ins Ausland. Dabei stellt China den wichtigsten Handelspartner dar.

Weniger Vorschriften für den Anbau

Simon Bichsel erklärt, die Unterschiede des Gemüse- und Ackerbaus zwischen der Schweiz und Neuseeland seien nicht gross: «Klar, die Dimensionen sind hier sicher grösser. Aber anbautechnisch läuft es ähnlich ab.» Zwar gebe es weniger Vorschriften als in der Heimat, etwa, wie viel Dünger man ausstreuen darf, aber das nehme auch hier zu. Ein grosser Unterschied sind laut dem Emmentaler die Preisschwankungen: «Das Saatgut wird exportiert, weshalb der Preis rauf und runter geht.» Momentan sei der Preis gut, allerdings seien die Produktionskosten extrem gestiegen. So habe sich der Düngerpreis innert eines Jahres verdoppelt. Gründe dafür seien steigende Frachtkosten, eine weltweite Düngerknappheit und höhere Energiepreise.

Nasser Dezember

Auf dem Betrieb ist das Wetter immer ein Thema, erklärt der Auslandschweizer. «Wir hatten im Dezember mit 100 Millimeter in zwei Tagen extrem viel Niederschlag. Deshalb mussten wir den Süssmais teilweise neu säen, auch die Gerste ging etwas kaputt.» Normalerweise fallen in der Region 600 mm im Jahr. Das eigentlich trockene Klima sei gut, da ein in der Nähe liegender Fluss das Grundwasser herauf drücke, führt Rahel Bichsel aus. «Die trockenen Jahre sind die besseren Jahre, da wir gut bewässern und dadurch mit wenig Niederschlag gut umgehen können.»

Genügend Arbeitskräfte trotz geschlossener Grenzen

Nun beginnt auf dem Betrieb die Ernte – die arbeitsintensivste Zeit des Jahres. Die Getreideernte beispielsweise dauert im neuseeländischen Sommer von Januar bis Ende März. Für die im Februar startende Gemüseernte stehen Simon Bichsel bis zu zehn Teilzeit-Aushilfskräfte zur Verfügung. Anders als etwa im Obstbau, hätten sie kaum Probleme, genug Leute zu rekrutieren. Im Obstbau sorgten die durch die Corona-Pandemie seit knapp zwei Jahren geschlossenen Grenzen immer wieder für zu wenig Erntehelfer. «Wir haben den Vorteil, dass unsere Arbeiter aus der Region und vorwiegend Neuseeländer sind», sagt der dreifache Familienvater. Dadurch sei man nicht auf Saisonniers oder junge Rucksacktouristen angewiesen, die während ihrer Zeit in Neuseeland Geld verdienen wollen, nun aber seltener im Land anzutreffen sind.

Gutes Verhältnis zum Chef

Die Auslandschweizer leben auf dem Betrieb, der Farmbesitzer stellt ihnen ein Haus zur Verfügung. «Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu ihm», sagt Rahel Bichsel. «Er hat uns von Anfang an enormes Vertrauen entgegengebracht.» Seinetwegen hatten die Emmentaler 2015 überhaupt erst die Möglichkeit, nach Neuseeland zu reisen. Simon Bichsel bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle und erhielt sie. Zwar sei es immer eine Möglichkeit gewesen, auszuwandern, «aber Neuseeland hatten wir nicht einmal auf dem Radar. Doch dann empfahlen uns unter anderem befreundete Landwirte, die den Schritt schon gewagt hatten, das Land.» Das Risiko sei minimal gewesen, da sie kein Anwesen kaufen mussten, sondern «nur» eine Stelle antraten. «Wir hatten einen guten Eindruck vom Farmbesitzer. Und dann lief auch alles gut», sagt Simon Bichsel. So gut, dass er und seine Ehefrau Rahel auch nach mehr als sechs Jahren auf dem gleichen Betrieb tätig sind.

Zur Person

Matthias Stadler stammt aus Brunnen SZ. Der 34-Jährige hat an der ZHAW in Winterthur Journalismus studiert und danach über fünf Jahre bei der «Luzerner Zeitung» als Redaktor gearbeitet. Seit Anfang 2020 lebt er mit seiner neuseeländischen Frau in ihrer Heimat und schreibt als Korrespondent für verschiedene Deutschschweizer Zeitungen. Seine Freizeit verbringt Matthias Stadler am liebsten in der Natur.