Als sich Mitte Juni die wütenden, grün-grauen Wolken vor dem schwarzen Himmel im Westen türmten, stieg die Anspannung erst mal. Würde es Hagel oder Regen geben oder vielleicht doch wieder gar nichts ausser Wind, Blitz und Donner?
Doch als dicke Regentropfen auf das Blechdach klatschten, fiel die Anspannung wie ein grosser Stein vom Herzen und man wollte wie ein Kind im Regen tanzen gehen. Nach fast fünf Wochen ohne einen Tropfen Regen war die Erleichterung gross, auch wenn es nur acht Millimeter in zwei Tagen regnete.
Aber im Englischen sagt man «beggers can’t be choosers», also etwa «Bettler können nicht wählerisch sein». Nachdem wir tagein, tagaus in den blauen Himmel starrten, nach Regenwolken Ausschau hielten und kein Wölkchen in Sicht war, waren wir tatsächlich bereit, nach Regen zu betteln – wenn wir nur gewusst hätten, an wen wir die Bitte richten sollten.
Es hätte früher Regen gebraucht
Es regnete seitdem hie und da etwas und so ist zumindest die Brandgefahr nicht mehr ganz so hoch. Trotzdem kam der Niederschlag zu spät, um die Ernte noch zu retten. Es wird eine 50- bis 90-prozentige Verminderung des Ertrags auf dem Feld und der Wiese erwartet.
Dort, wo es nicht an Niederschlag mangelte, nämlich auf den Ackerfeldern, die im Reservat bewirtschaftet werden, hat ein schlimmer Hagelsturm grosse Verwüstung angerichtet. Es wird leider kein gutes Jahr werden, weder für die Feldfrucht- noch für die Heu- und Silageproduktion. Unser Arbeitgeber hat entsprechend bereits 1000 Tonnen Heu zugekauft, um die Tiere durch den nächsten Winter zu bringen.
Einbrecher auf leisen Pfoten
Auch auf unserer kleinen Farm hatten wir etwas Pech dieses Jahr: Ein Stinktier hat unsere 21 jungen Truthähne getötet. Sie waren rundum mit feinmaschigem Drahtgeflecht eingezäunt, überdacht und hatten einen Stallteil, in dem sie schlafen konnten. Es gab also eigentlich keinen Weg hinein oder heraus, es sei denn, man gräbt sich unter dem Zaun durch. Und genau das tat das Stinktier auch.
Nebst dem finanziellen Verlust ist es auch einfach herzzerreissend, wenn man morgens so ein Massaker bei den herzigen, drei Wochen alten Truthähnen antrifft. Wir benutzen normalerweise kein Gift, wenn wir Probleme mit Wildtieren haben. Wir sehen einen sauberen Schuss als humaner an, aber wir konnten nicht die ganze Nacht auf der Pirsch liegen und hoffen, den Eindringling auf frischer Tat zu ertappen. Zudem haben wir neben den 60 Legehennen auch noch 60 Mastpoulets in zwei Gehegen, welche wir täglich verstellen und welche ebenfalls – abgesehen von Untergrabungen – einbruchsicher sind. Wir wollten es also nicht darauf ankommen lassen und dem Übeltäter keine Chance geben, noch mehr Unheil anzurichten.
So liessen wir einen vergifteten Truthahn als Köder zurück. Da das Gehege bis auf Untergrabungen durch einen engen und geheimen Tunnel ja immer noch einbruchsicher war, mussten wir auch nicht befürchten, dass eine Katze, ein Hund oder ein Raubvogel versehentlich den Köder erwischen würde.
An der intensiven Geruchsnote nach zu urteilen, kam das Stinktier auch gleich in der darauf folgenden Nacht vorbei, um sich einen Nachschlag zu holen. Hoffentlich war dies das Ende und es hat ein allerletztes Mal bei uns etwas gestohlen.
Warten auf Lebendinspektion
Markus macht momentan kleinere Projekte fertig, bevor es mit der Ernte losgeht. Falls es denn überhaupt etwas zu ernten geben wird. Die jüngsten 39 Kälber wurden diese Woche noch gebrandet und werden demnächst in die Berge gebracht – obwohl die Kühe mit den kleinen Kälbern hier wohl besser versorgt wären, aber es hat schlichtweg kein Futter.
Unser Arbeitgeber Don brachte diese Woche ein Rind nach Hause, welches von einem Bär attackiert wurde. Leider darf man solche Tiere erst schiessen, nachdem der Wildhüter sie gesehen hat. Dies, um zu beweisen, dass die Verletzungen nicht nachträglich zugefügt wurden – das heisst, dass das Tier nicht als Köder ausgelegt wurde, um den Bär anzulocken. So musste das arme Rindvieh noch einmal eine Nacht leiden, bis der Wildhüter es lebend inspizieren konnte. Wahrscheinlich hat eine unerfahrene Grizzlybärmutter die Kuh angefallen.
Zur Autorin
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Alexandra Ruckstuhl und ihr Mann Markus sind bereits zum zweiten Mal aus der Schweiz nach Kanada ausgewandert. Das erste Mal kehrte die Familie zur Behandlung einer lebensbedrohenden Krankheit ihrer älteren Tochter in die Schweiz zurück. Nach erfolgreicher Operation der ersten Tochter und der Geburt der zweiten, ist Familie Ruckstuhl in ihre Wahlheimat zurückgekehrt. Mittlerweile sind mehr als drei Jahre vergangen, seit die Ruckstuhls die Schweiz zum zweiten Mal verlassen haben.