In Deutschland gilt seit dem ersten Januar dieses Jahres eine neue Regelung bezüglich Kälbertransporten: Neu müssen Mastkälber 28 Tage statt wie bisher 14 Tage alt sein, wenn diese den Hof verlassen.

Die neue Regelung macht aus Sicht der Kälber durchaus Sinn. Denn zwei Wochen nach der Geburt befinden sie sich in einem «Immun-Loch», weil die Immunstoffe der Mutter ihre Wirkung verlieren und das eigene Immunsystem noch im Aufbau ist.

Der Transport findet nun vier Wochen nach der Geburt statt. Nicht nur für Milchviehbetriebe, die die Kalbungen in einen engeren Zeitraum gelegt haben, ist das eine Herausforderung.

Die Igluhersteller haben die Preise zuvor angezogen

Seit dem Bekanntwerden dieser Regelung im Herbst 2021 wurden in Milchviehkreisen grosse Bedenken geäussert. Praktisch zeitgleich sind die Preise für Grossraumiglus und ähnliche Systeme zur Unterbringung von grösseren Kälbern rasant angestiegen. Neben der Unterbringung kommen natürlich zusätzliche Kosten für Futter und Milchpulver, Einstreu und Arbeit dazu.

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Gut bezahlt sind Kreuzungen mit Weissblauen Belgiern

Die Viehhändlerbranche argumentiert, dass für schwerere, ältere Kälber auch bessere Preise am Mark erzielt werden können. Tatsächlich waren die Preise bis Mitte Januar höher als sonst im Januar. Ab Mitte Januar schien der Markt wieder gesättigt zu sein, entsprechend gingen die Preise zurück. Immer noch gern gesehen und gut bezahlt sind Kreuzungen mit der belgischen Rinderrasse der Weissblauen Belgier.

Unser Betrieb verzeichnet über 150 Kalbungen pro Jahr, jedoch vorwiegend im Herbst und Winter. Zwischen 20 und 25 Prozent der Kälber remontieren wir. Die Strategie meines Chefs Henrik, bei guten und bewährten Kuhlinien gesextes Sperma einzusetzen und Kühe, die nicht zur Nachzucht geeignet sind, mit Weissblauen Belgier zu besamen, bewährt sich nun noch mehr.

Frische Luft tut den Kälbern sehr gut 

«Ist der Kälberpreis gut, freut man sich. Wenn nicht, muss man die Kosten der Kälberaufzucht der Milchkuh zuordnen», sagt Timo, mein Ehemann. «Ohne Kalb gibt es eben auch keine Milch im Tank. Wir versuchen, indem wir mit Fleischrassen besamen, den Anteil an Schwarz-bunten Bullkälbern (Holstein Friesian) auf ein Minimum zu reduzieren.» Bei uns ziehen die Kälber nach ungefähr zehn bis vierzehn Tagen vom Einzeliglu in Gruppen um.

Die weibliche Nachzucht wird in einer Gruppe von bis zu 20 Tieren vom Tränkeautomaten 80 Tage lang mit Milchaustauscher, Kälbermüsli und Heu gefüttert und schliesslich abgetränkt. Die Mastkälber ziehen mit bis zu fünf anderen Kälbern in die mobile Aussenhütte. Dort werden sie über die Milchbar mit Vollmilch und beigemischtem Ergänzer, der die Verdauung unterstützt, sowie Kälbermüsli und Heu versorgt. Die Kälber entwickeln sich gut an der frischen Luft und verursachen so einen relativ kleinen Mehraufwand.

«Es ist aber schon auffällig, dass die Kälber, die zur Abholung angemeldet werden, besser und gesünder daherkommen»

Sagt Meent, der Viehändler des Betriebes.

Meent, unser Viehhändler, muss sich beim Verladen der nun deutlich schwereren, älteren Kälber mehr ins Zeug legen. Die Überbrückung des «Immun-Lochs» auf den Geburtsbetrieben schlägt also gut an.

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Vom Veterinäramt wird das neue Gesetz streng kontrolliert

Meent berichtet, dass die neue Regelung mit den 28 Tagen vom zuständigen Veterinäramt beim Kälbersammelplatz auch streng kontrolliert wird, bevor sie ihre Reise auf die Mastbetriebe antreten. Die Niederländer sind auf die Mast von Schwarz-bunten Bullkälbern spezialisiert, um entweder Rosé- oder Weissfleisch zu erzeugen. Die Fleischrassenkreuzungen werden meist von deutschen Bullenmastbetrieben gekauft.

Übrigens dürfen die Kälber auch weiterhin im Alter von weniger als 28 Tagen transportiert werden, aber nur maximal 50 Kilometer weit und solange der Transport innerbetrieblich und mit eigenem Viehwagen geleistet werden kann.

Zur Person
Sandra Hussmann (28) hat an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Agronomie studiert und ist andie deutsche Nordseeküste ausgewandert. Dort wohnt und arbeitet sie mit ihrem Mann auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Henrik und Rita Wefer. Zum Betrieb gehören 90 ha Grünland und 25 ha Ackerland. Der Tierbestand umfasst 130 Holstein-Milchkühe und eine ebenso zahlreiche weibliche Nachzucht. Ausserdem arbeitet sie als Beraterin teilzeitlich bei landwirtschaftlichen Innovationsprojekten mit.