Es ist Anfang Dezember und der Föhn taut die Welt wieder etwas auf. Der Winter kam in der zweiten Novemberwoche mit grosser Wucht an und hielt uns einige Wochen «schockgefroren». Das Thermometer hielt sich für circa drei Wochen zwischen −18 °C und −28 °C Grad und obwohl wir uns etwas höhere Temperaturen gewünscht haben, hätte es nicht gerade in die Plus-Grade steigen müssen. So werden die Strassen und der Hofplatz zur Eisbahn und der ganze Schnee verursacht einen fürchterlichen «Pflutsch».

Mit dem Schulbus unterwegs

Es sind solche Momente, in denen wir es umso mehr schätzen, dass wir nicht auf die Strasse müssen, um zur Arbeit zu gelangen. Die Kids haben da weniger Glück. Sie müssen um 7 Uhr den anderthalbstündigen Schulweg im Schulbus antreten, wobei die Busfahrten bei wirklich prekären Strassen oder bei Temperaturen unter –35 °C abgesagt werden.

Grundsätzlich macht ihnen die lange Fahrt nichts aus, sie sind sich lange Fahrwege gewöhnt, vor allem Josephine, wenn wir jeweils zu Arztterminen fahren müssen. Auf dem Schulweg schwatzen sie mit ihren «Gschpänli» oder bringen eine Taschenlampe und ein Buch zur Unterhaltung mit. Quinn, der nun zwei bis drei Tage die Woche in den Kindergarten geht, schläft meist auf dem Heimweg, manchmal sogar auf dem Boden des Busses wie ein kleiner Welpe.

Mehr Fleisch als normalerweise

Wir schlachten zwar jedes Jahr einige Tiere für uns und noch mehr für die Hunde, aber dieses Jahr wollte die Herbstmetzgete kein Ende mehr nehmen. Da unsere zwei Ferkel Anfang Sommer ausgebrochen waren, hatten wir bei den Nachbarn angefragt, ob sie im Herbst eine Sau zu verkaufen hätten. Als Markus dann die zwei Ausbrecher wieder einfangen konnte, wollten wir den Deal nicht absagen und so endeten wir mit drei Schweinen zum Schlachten.

Die neuen Mitarbeiter nahmen eine halbe Sau, aber da sie noch nie wirklich selbst geschlachtet hatten, waren sie nur bedingt hilfreich. Neben dem üblichen Speck und Schinken machten wir auch viele verschiedene Würste, Leberwurst, Salami und Rohschinken. Und als unsere nördlichen Nachbarn anriefen und fragten, ob wir einen Rehbock wollten, konnten wir schlecht Nein sagen. So gab es auch noch etwas Wild zu verschneiden für die Gefriertruhe.

Metzgerei Ruckstuhl

Zeitgleich starb eine Kuh an Herzversagen und musste zu Hundefutter verarbeitet werden. Ich kam mir doch langsam wie eine Metzgerin vor. Aber bei den momentanen Fleischpreisen sind wir froh, dass wir unsere Kühltruhen relativ günstig füllen konnten. Auch, wenn das bedeutet, dass ich viel Zeit investieren muss. Aber zu wissen, was genau wir essen – bis zum letzten Kräutchen und Gewürz in der Wurst –, finde ich sehr beruhigend.

Hohe Preise für Rindfleisch

Es lohnt sich im Moment fast nicht, Rindfleisch selbst zu essen, da die Preise so hoch sind wie kaum je zuvor. Lowes verkauften Schlachtkühe, die aufgrund ihres Temperaments aussortiert wurden und nicht wegen Problemen mit der Trächtigkeit, schlechtem Euter oder Füssen, für umgerechnet durchschnittlich 1720 Franken pro Kuh. Zum Vergleich: Vor etwa acht Jahren hätte so eine Kuh gerade mal um die 500 Franken gebracht.

Die diesjährigen Stiere von der Süd-Ranch, die bereits im Januar mit dem Abkalben beginnt, brachten im Herbst bei ungefähr 320 kg Lebendgewicht nahezu 1870 Franken. Der Rindviehbestand ist in ganz Nordamerika extrem tief. Und auch wenn optimistische Stimmen sagen, der Bestand werde schnell wieder zunehmen – in der Realität sieht es nicht so aus.

Kein Job für jedermann

Neben einigen trockenen Jahren, welche die Futterproduktion in vielen Regionen nahezu unmöglich machten, ist es auch das Fehlen von Nachkommen und Angestellten auf den Ranches, was dazu führt, dass viele Rinderbestände aufgelöst werden. Gerade jetzt, bei diesen Preisen, entscheiden sich viele Rancher, die sich dem Pensionsalter nähern und deren Kinder nicht ins «Cow Business» einsteigen wollen, die Herde zu verkaufen, ausstehende Kredite abzuzahlen und mit dem Rest die Pension zu geniessen.

Und wer kann es ihnen verübeln, wenn sie nicht mehr bei Wind und Wetter tagein, tagaus zu den Kühen schauen wollen? Bei der Getreide- oder Futterproduktion kann man bei –30 °C am «Schärmen» bleiben, während der Rancher seine Runde machen muss, damit keine neugeborenen Kälber erfrieren.

Wir machen aber noch ein paar Jährchen weiter mit den Kühen, denen von Lowe Ranches und auch mit unseren eigenen – vielleicht irgendwann sogar auf unserem eigenen Fleck Land.

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Zur Person: Alexandra Ruckstuhl und ihr Mann Markus sind 2015 zum zweiten Mal aus der Schweiz nach Kanada ausgewandert. Das erste Mal kehrte die Familie zur Behandlung einer lebensbedrohenden Krankheit ihrer ersten Tochter Josephine in die Schweiz zurück, die zum Glück erfolgreich verlief. Nach der Geburt der zweiten Tochter Elena ist Familie Ruckstuhl in ihre Wahlheimat zurückge­kehrt. 2019 ist Sohn Quinn auf die Welt ge­kommen. Seit 2022 wohnen sie in der Nähe des Weilers Sunset House, wo Markus Ruck­stuhl auf einer grossen Farm angestellt ist.