Ab Mitte April sind die Anzeichen beim Norddeutschen Landwirt und beim Grünland unverkennbar: Erstens wird die Langzeitprognose der Wetterapp deutlich öfter konsultiert. Weiter werden die Mähwerke langsam, aber sicher aus dem Winterquartier geholt und für den baldigen Einsatz bereit gemacht. Und: Der auf den alten Grünlandnarben dominierende Fuchsschwanz schiebt Ähren und steht kurz darauf in voller Blüte. Zu guter Letzt werde ich nach jedem Arbeitstag gefragt, nachdem ich während meines 35 km langen Arbeitsweges quer durch den Landkreis fuhr, ob es «unterwegs was Neues gibt». Gemeint ist, ob jemand schon zur Tat geschritten ist und sich an die Ernte des ersten Schnittes herangewagt hat.
Das Silofieber schlägt zu
Dann ist es wieder so weit: Das Silofieber schlägt wie jedes Jahr gnadenlos zu. Zwei der Symptome sind leichte Gereiztheit, sobald das Thema erster Schnitt angesprochen wird und Albträume, (Platten am Feldhäcksler, Folie beim Dichtmachen abgehauen …) die im Zusammenhang mit der ersten Grasernte stehen.
Der April und die erste Hälfte des Mais waren aussergewöhnlich trocken. Das Gras war für den ersten Schnitt mit separierter Gülle und etwas Mineraldünger angedüngt, wollte trotzdem wegen des fehlenden Niederschlages nicht richtig wachsen. Mitte April haben wir die Kühe das erste Mal ausgetrieben.
Die Schönwetterperiode wurde ausgenutzt
Das Gras befand sich im optimalen 3-Blatt-Stadium zum Weiden und bescherte uns gut vier Liter mehr pro Kuh und Tag in der Kühlwanne, doch zum Mähen erschien uns der Ertrag einfach noch zu gering. Wir warteten jedoch bis Mitte Mai zu. Die über sechs Wochen lang anhaltende Schönwetterperiode neigte sich dem Ende zu. Wie schon seit über 30 Jahren haben Henrik und unser Nachbar Frank eine «Mähkooperation»: Um die Fläche des ersten Schnittes (bei uns waren es in diesem Jahr zirka 65 ha) innerhalb von kürzester Zeit zu Mähen, hilft man sich gegenseitig.
Das Anmähen der Flächen (Auslassen von Tränken, Absätzen, Grüppen und teilweise sumpfigen Stellen usw.) übernimmt der «Bewirtschafter», der «Helfer» mäht dann den Rest in zügigem Tempo ab. Frank und Henrik haben das Mähen mittlerweile an Sohn Jan-Ole bzw. Neffe Timo übergeben.
Es wurde fleissig geschwadet
Die Menge war in diesem Jahr zumindest auf den älteren Narben überschaubar, so kreiselten wir am Morgen darauf nur die Neuansaaten und die Ackergrasflächen (= Kunstwieseflächen). Am Abend schwadeten wir die kleinen, verwinkelten Flächen mit unserem Seitenschwader, für die grossen Flächen kam der Lohnunternehmer mit seinem Vier-Stern-Schwader als Unterstützung. Mit dem Schwaden endet vorerst auch unsere Eigenleistung beim Silieren.
Auf das Silo, fertig, los!
Am nächsten Tag um 6.30 Uhr übernimmt die Häckselkolonne des Lohnunternehmers das Häckseln, Abfahren und Anwalzen im Fahrsilo. Das Siliermittel wird direkt über das Pick-up des Häckslers auf das Schnittgut verteilt. Für die entlegeneren Flächen leihen wir uns einen Häckselwagen, um die Stehzeiten des Feldhäckslers zu verringern. Ansonsten ist unsere Aufgabe auf dem Hof die Kanten «zu kratzen», also loses Gras von den Kanten zu lösen und die Kante so zu stabilisieren.
Gegen 15 Uhr war der letzte Wagen auf dem Hof und das Silo wird erst mit dünner Unterziehfolie, später mit dickerer Silofolie und Sandsäcken aussen luftdicht verschlossen. Die Silonetze werden mit ausgedienten Autoreifen, die links und rechts an die Kanten mit Strohband gehängt werden, beschwert. Auf die Spritzen des Silos kommen wiederum Reifen gelegt. Für das Sturm- und Winterdicht machen des Silos wenden wir viel Zeit und Arbeit auf, doch muss die Folie auch bei starken Winden von der Nordsee dicht halten und darf auch keinen Fall als Segel fungieren und davon fliegen. Bisher haben wir noch kein besseres Patent gefunden.
Das Prozedere wiederholt sich dann für den zweiten und vierten Schnitt wiederum, wobei die zu mähende Fläche für Kuh- und Jungvieh weidebedingt stetig abnimmt und teilweise mit Ladewagen befahren wird. Der dritte Schnitt fällt häufig ertragsmässig gering aus, so dass wir dann Siloballen machen lassen.
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Zur Person
Sandra Hussmann (28) hat an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) Agronomie studiert und ist an die deutsche Nordseeküste ausgewandert. Dort wohnt und arbeitet sie mit ihrem Mann auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Henrik und Rita Wefer. Zum Betrieb gehören 90 ha Grünland und 25 ha Ackerland. Der Tierbestand umfasst 130 Holstein-Milchkühe und eine ebenso zahlreiche weibliche Nachzucht. Ausserdem arbeitet sie als Beraterin teilzeitlich bei landwirtschaftlichen Innovationsprojekten mit.